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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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Ich fühlte mich, als würde man mich in Richtungen zerren, die ich nicht einschlagen wollte. Und jede Rea k tion, die ich erzwang, indem ich mich wehrte, gab mir das Gefühl, noch am Leben zu sein. Ich trieb Großmutter zur Verzweiflung und legte mich mit Sergeant Markey an, weil ich nichts auf der Welt mehr wollte, als frei zu sein. Ich glaubte, dass mich niemand zu irgendetwas zwingen könnte. Ich sah damals oft zu den Sternen hoch und dac h te dabei: Das ist Leo da oben, und niemand kann mich erreichen. Ich weiß nicht, ob es stimmte.
    Während all dieser Jahre hielt ich mich für unglüc k lich. Ich glaube inzwischen nicht mehr, dass ich es war. Du hast mir einmal etwas gesagt, das sich in meinem Kopf festgesetzt hat, nämlich, wie gefährlich Gedanken sein können, wenn man i n e iner schlimmen Situation ist. Dass, wenn man sich von Gedanken trösten und leiten lässt, man plötzlich nicht mehr weiß, was wahr ist. Man sieht sein Leben dann nicht mehr so, wie es tatsächlich ist. Du meinst nur, dass du glücklich bist. Ich erkenne inzwischen, dass das auch in die andere Richtung gilt. Du hältst dich für unglücklich, obwohl du es gar nicht bist. Das ist es, was ich getan habe.
    Von der Brüstung dieses höchsten Balkons aus kann ich die Laternen erkennen, die man zwischen den Bä u men des Dachgartens aufgehängt hat. Ich sehe, wie die Lichter flackern, wenn der Wind mit ihnen spielt, und die Menschen, die wie Schatten zwischen den Bäumen u m herschlendern. Ich kann die wenigen Kutschen sehen, die sich weit unter mir in den Straßen der Stadt bewegen. Ich denke plötzlich, dass ich alles dafür geben würde, zu di e sen Tagen zurückzukehren.
    Ich überprüfe die Lampe, setze mich mit dem Rücken an die Wand und schlage das Buch wieder auf. Ich werde nun den Rest lesen; ich habe noch immer Zeit. Ich kann die Uhr zwar nicht zurückdrehen, aber ich kann noch immer diese Worte lesen.

 
    A ls ich wieder erwachte, sah ich nichts als das st e chende Blau des Himmels. Ich lag da, starrte es an und glaubte, dass ich zu Hause in meinem Bett wäre. Aber dann hörte ich eine Stimme und bemerkte, dass die Fenster über mir hoch und schmal waren – nicht wie die rautenförmigen Scheiben meines Schla f zimmerfensters.
    »Leo, wach auf«, sagte Stirling gerade. Ich drehte mich auf die andere Seite und erinnerte mich, was pa s siert war. Er kniete neben mir, legte den Arm um meine Schultern und machte ein Geräusch wie ein Schluchzen. Und es war eines, denn als er sich zurückzog, konnte ich die Tränen in seinen Augen sehen.
    »Ich bin okay«, sagte ich und versuchte, mich aufz u setzen. Aber das Zimmer drehte sich, sodass ich mich wieder hinlegte und die Augen schloss. »Wo sind wir?«
    »Im Büro des Colonels.« Ich spürte, wie Stirling me i ne Hand nahm.
    Dann sprach ganz in der Nähe eine andere Stimme. »North, kannst du mich hören?« Ich sah hoch. Es war der Colonel.
    Er kniete sich neben mich. »Du bist ohnmächtig g e worden. Du bist übrigens nicht der Erste, dem das pa s siert. Wir haben dich hier reingebracht, damit du dich ausruhen kannst.«
    »Du hast so lange geschlafen.« Stirling umklammerte noch immer meine Hand. »Ich hab die ganze Zeit über mit dir gesprochen, aber du hast mich nicht gehört.«
    »Es waren nur fünf Minuten«, sagte der Colonel. »Nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste.«
    Alles war noch immer seltsam distanziert. Es gelang mir, mich aufzusetzen, und ich lehnte mich gegen die kü h le Steinmauer. Stirling wollte meine Hand nicht lo s lassen.
    »Du wirst heimgehen und dich erholen müssen.« Der Colonel wandte sich an Stirling. »Du kannst deinen Br u der doch nach Hause bringen, oder?«
    »Ja. Ich werde mich um Leo kümmern.«
    »Guter Junge.«
    Wir blieben schweigend sitzen. Ich beobachtete das Sonnenlicht auf den Papieren, die den Schreibtisch des Colonels bedeckten, und die vierzackigen Sterne, die es auf die Glasschränke an den Wänden warf. Es war eige n artig. Alles wirkte verändert, seit ich aufgewacht war. Ich kann es nicht erklären, aber es fühlte sich an, als wäre ich an einem völlig anderen Ort. Die Welt hatte sich verä n dert. Oder vielleicht lag es nur daran, dass die Sonne h e rausgekommen war. Stirling saß neben mir und hielt meine Hand, und ich ließ es zu. Schließlich standen wir auf und machten uns auf den Heimweg.
    »Großmutter wird wütend werden«, murmelte ich, als wir den Paradiesweg hinuntergingen. »Besonders, wenn sie hört, dass ich

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