Mansfield Park
blickte er sich nach seiner Schwester um, und da er sah, daß die Luft rein war, begann er lächelnd: «Was meinst du, Mary, womit ich mich hier zu amüsieren gedenke, wenn ich nicht gerade jage? Ich bin schon zu alt, um mehr als dreimal in der Woche auf die Jagd zu gehen, aber für die anderen Tage habe ich bereits mein Programm. Rate einmal, was es ist.»
«Mit mir Spazierengehen und ausreiten, natürlich.» «Nicht getroffen – obwohl ich beides mit Freuden tun werde. Aber das hält nur meinen Körper in Bewegung, und ich muß doch auch für meinen Geist sorgen. Außerdem wäre das nichts als Erholung und Entspannung ohne die heilsame Zukost der Arbeit, und ich will nicht das Brot des Müßiggängers essen. Nein, mein Programm besteht darin, Fanny Price in mich verliebt zu machen.»
«Fanny? Unsinn! Nein, dagegen bin ich. Du solltest dich wirklich mit ihren beiden Cousinen zufriedengeben.»
«Aber ich kann nicht zufrieden sein, solange ich nicht wenigstens ein winziges Löchlein in Fannys Herz gebohrt habe! Ihr scheint alle miteinander nicht zu merken, daß Fanny durchaus der Beachtung wert ist. Als wir gestern über sie sprachen, hat keiner von euch erwähnt, wie unglaublich sie sich in den letzten sechs Wochen verschönert hat. Ihr seht sie jeden Tag, darum fällt es euch nicht auf, aber ich versichere dir, sie ist jetzt ein ganz anderes Geschöpf als im Herbst. Damals war sie ein stilles, bescheidenes, nicht gerade unhübsches Mädchen, aber jetzt ist sie ausgesprochen reizend. Ich dachte immer, es wäre nichts Besonderes an ihrem Teint und ihren Zügen, doch gestern abend habe ich festgestellt, daß ihre zarte Haut, die beim leisesten Anlaß sanft errötet, ganz entzückend ist, und was ihre Augen und ihren Mund betrifft, zweifle ich nicht daran, daß sie sehr ausdrucksvoll sein können, wenn sie etwas auszudrücken haben.
Und dann – ihre Haltung, die Art, wie sie sich gibt, ihr ‹tout ensemble› hat sich so unglaublich verändert! Sie muß seit Oktober um mindestens zwei Zoll gewachsen sein.»
«Aber, aber! Das kommt dir so vor, weil keine größeren Frauen anwesend waren, mit denen du sie vergleichen konntest, und weil sie ein neues Kleid anhatte und du sie noch nie so gut angezogen gesehen hast. Glaub mir, sie ist genau die gleiche wie im Oktober. Sie war einfach das einzige junge Mädchen in der Gesellschaft, und du mußt immer eine haben, die du bewunderst. Ich habe sie übrigens von jeher hübsch gefunden – nicht auffallend hübsch, aber (hübsch genug), wie man sagt. Sie hat die Art Schönheit, die einen unmerklich immer mehr gefangen nimmt. Ihre Augen sollten dunkler sein, aber sie hat ein süßes Lächeln. Was die unglaubliche Veränderung betrifft, so liegt sie ausschließlich in dem neuen Kleid und in dem Umstand, daß du keine andere anzuschauen hattest. Wenn du wirklich einen Flirt mit ihr beginnst, wirst du mir nie einreden, daß ihre Schönheit dich hingerissen hat. Es ist nichts als Müßiggang und Narretei.»
Diesen Vorwurf beantwortete der Bruder nur mit einem Lächeln und fuhr dann fort: «Ich weiß nicht recht, was ich aus Miss Fanny machen soll. Ich kenne mich mit ihr nicht aus. Gestern wußte ich nicht, was sie im Sinn hatte. Wie ist sie eigentlich? Ernst? Verschroben? Prüde? Warum war sie so zurückhaltend und hat mich immer nur strafend angesehen? Ich konnte sie kaum zum Reden bringen. Ich war noch nie so lange mit einem Mädchen zusammen, das ich zu unterhalten wünschte, ohne daß es mir so schlecht gelungen wäre, und bin noch keiner begegnet, die mich so streng angeblickt hat. Ihre Augen sagten deutlich: ‹Ich mag Sie nicht, ich bin fest entschlossen, Sie nicht zu mögen!› Und ich sage, sie soll mich mögen.»
«Närrischer Junge! Also darin besteht die ganze rätselhafte Anziehung! Das ist es – daß sie nicht sofort auf dich fliegt! Darum hat sie plötzlich einen so schönen Teint und ist so groß geworden und besitzt alle Reize der Welt! Aber, Henry, ich wünsche ausdrücklich, daß du sie nicht wirklich unglücklich machst. Ein bißchen Verliebtsein wird ihr vielleicht ganz guttun, aber es darf nicht zu tief gehen, hörst du? Sie ist ein liebes, gutes Geschöpfchen und hat sehr viel Gefühl.»
«Es handelt sich ja nur um zwei Wochen», sagte Henry. «Wenn zwei Wochen sie hinmachen können, hat sie eine Natur, die ohnedies nicht zu retten ist. Nein, ich will ihr wahrhaftig nichts Böses antun, dem lieben, kleinen Ding! Ich möchte sie nur dahin bringen, daß sie mich
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