Mansfield Park
und Tom langweilt sich sichtlich. Dr. Grant und seine Frau würden uns aufmuntern, und die Abende wären in ihrer Gesellschaft vergnüglicher – auch für Vater selbst.»
«Glaubst du?» sagte Fanny. «Ich denke, dem Onkel wäre jetzt jeder Zuwachs unangenehm. Er empfindet gerade dieses stille Leben als wohltuend und wünscht nichts, als im Kreise seiner Familie auszuruhen. Mir scheint es auch nicht, daß wir jetzt ernster wären als sonst – ich meine vor Onkels Abreise. Soweit ich zurückdenken kann, war es eigentlich immer so. In seiner Gegenwart wurde niemals viel gelacht. Wenn ein Unterschied gegen früher besteht, so ist es sicher nur eine gewisse Fremdheit und Schüchternheit, die nach einer so langen Trennung ganz natürlich ist. Aber ich kann mich nicht erinnern, daß unsere Abende jemals lustiger vergingen, außer wenn Onkel in London war. Junge Leute haben es wohl nirgends sehr lustig, wenn die Respektsperson zu Hause ist.»
«Du dürftest recht haben, Fanny», erwiderte Edmund nachdenklich. «Ja, unsere Abende haben keinen neuen Charakter angenommen, sie sind nur wieder zu ihrer ursprünglichen Form zurückgekehrt. Die Neuheit bestand darin, daß sie eine Zeitlang vergnüglich waren. Welch starken Eindruck doch ein paar kurze Wochen hinterlassen können! Mir ist, als hätten wir nie so trist gelebt.»
«Vielleicht bin ich ernster als andere Menschen», sagte Fanny, «aber ich finde die Abende gar nicht langweilig. Ich höre Onkel so gern von Westindien erzählen, ich könnte ihm stundenlang zuhören. Mir kommt das unterhaltsamer vor als viele andere Dinge – aber ich bin wohl anders als die anderen, wenn ich das sagen darf.»
«Und warum willst du das sagen dürfen?» fragte Edmund lächelnd. «Möchtest du gern hören, daß du klüger und weiser bist als andere? Aber wann hätte ich jemals dir oder einem anderen Menschen ein Kompliment gemacht, Fanny? Wenn du Komplimente hören willst, geh zu meinem Vater, der wird dich zufriedenstellen. Frag deinen Onkel, was er von dir hält, und du wirst Komplimente genug zu hören bekommen. Wenn sie hauptsächlich deinem Äußeren gelten, mußt du es dir gefallen lassen und hoffen, daß er mit der Zeit auch die Schönheit deines Gemütes entdeckt.»
Eine solche Sprache war Fanny so ungewohnt, daß sie ganz verlegen wurde.
«Ja, dein Onkel findet dich wunderhübsch, liebe Fanny – das ist das Lange und das Breite von der Sache. Jeder andere als ich hätte mehr daraus gemacht, und jede andere als du wäre beleidigt, daß man sie nicht schon längst wunderhübsch gefunden hat. Aber es ist eben so, daß dein Onkel dich bis jetzt nie bewundert hat – und jetzt tut er’s. Dein Teint wäre so frisch geworden – du hättest soviel Haltung bekommen – und deine Figur … Nein, Fanny, lauf nicht davon! Es ist ja nur ein Onkel, der so spricht. Was soll aus dir werden, wenn du nicht einmal die Bewunderung eines Onkels erträgst? Du mußt dich langsam an den schrecklichen Gedanken gewöhnen, daß es sich der Mühe lohnt, dich anzuschauen. Trag es mit Fassung, daß du ein hübsches Mädchen geworden bist.»
«Oh, sprich nicht so, sprich nicht so!» rief Fanny, von mannigfacheren Gefühlen bedrängt, als Edmund ahnen konnte. Doch da er sah, daß er sie quälte, ließ er von seiner Neckerei ab und fügte in ernsterem Ton hinzu: «Dein Onkel ist sehr geneigt, auch sonst Gefallen an dir zu finden, Fanny, und ich wünschte nur, du würdest mehr mit ihm sprechen. Du gehörst auch zu denen, die abends am Familientisch zu schweigsam sind.»
«Aber ich spreche schon mehr mit ihm als früher, ganz sicher. Hast du nicht gehört, wie ich ihn gestern nach dem Sklavenhandel gefragt habe?»
«Doch – und ich hatte gehofft, du würdest noch weitere Fragen stellen. Es hätte ihm Freude gemacht.»
«Ach, ich hatte so große Lust dazu! Aber es herrschte eine solche Totenstille – und während Maria und Julia dasaßen, ohne ein Wort zu sprechen, und sich offenkundig gar nicht für die Sache interessierten, wollte ich nicht … Ich dachte, es würde so aussehen, als setzte ich mich auf ihre Kosten in Szene, wenn ich ein Interesse zeigte, das er doch vor allem in seinen eigenen Töchtern erwecken möchte.»
«Miss Crawford hat unlängst etwas sehr Richtiges über dich gesagt, Fanny – nämlich daß du dich ebenso ängstlich scheust, dich bemerkbar zu machen und Beifall zu erregen, wie andere Frauen sich vor dem Übersehenwerden fürchten. Wir haben im Pfarrhaus von dir gesprochen, und
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