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Manta 02 - Orn

Manta 02 - Orn

Titel: Manta 02 - Orn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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sie noch so geschwind wie er.
    Sie jagte um eine gigantische Tanne herum und ließ grüne Zapfen fliegen. Dann hielt sie sich seitlich, bevor sie auf den Struth stieß. Sie wußte Bescheid! Zu seiner Erleichterung rannte sie nach Norden, obwohl dies ein Gebiet war, das er noch nicht erkundet hatte. Ihre Geschwindigkeit verringerte sich, als der Boden morastig wurde, aber so erging es auch ihm. Auf diese Weise würde es noch lange dauern, bis er sie einholte. Auch dies war so, wie es die Natur bestimmte. Eine ganze Zeit lang rannte sie nach Norden, wandte sich dann nach Westen, den Bergen entgegen. Bald begannen sie zu klettern und ließen das dunstige Tal unter sich zurück. Fliegende Vögel machten ihnen hastig den Weg frei, und grasende junge Reptilien huschten davon. Ein verwundeter erwachsener Tricer, der so weit gekommen war, um zu sterben, blickte überrascht auf. An immer blattreicher werdenden Bäumen liefen sie vorbei, in deren Zweigen Säuger herumturnten, und hinauf auf die Höhenlagen voller Gras, wo Insekten im Sonnenlicht umherschwirrten, aber Ornette verlangsamte ihren Lauf nicht und rannte weiter aufwärts, bis die Luft kühl wurde. Und weiter, bis der Schnee anfing. Aber Orn spürte die Kälte nicht. Langsam verkürzte er den Abstand zu ihr.
    Schließlich wechselte sie den Kurs und rannte nach Norden, die weiße Grenze entlang, während sich die Sonne der Bergkrone entgegenneigte. Dann wieder abwärts ins Tal, hinein in das dichteste Grün, wobei sie die Flügel spreizte, um bei dem steilen Abstieg die Balance zu bewahren. Der Vorsprung wurde wieder größer, weil sie ihre größeren Federn einsetzte, aber in der Ebene, wo die Reptilien hausten, holte er wieder auf. Und wieder aufwärts, fast bis zum Schnee, und immer noch holte Orn auf, obwohl er noch nie so lange ohne Ruhepause gelaufen war.
    Zum zweiten Mal kamen sie am nördlichen Scheitelpunkt des großen Tals herunter, jenseits des Sumpfs. Hier gab es eine höher liegende Ebene, zu trocken und zu kalt für die Bequemlichkeit der meisten Reptilien, wiewohl die kleinen Säuger reichlich vorhanden waren. Und hier wurde das Licht der Sonne, ganz abrupt, von der Bergkette abgeschnitten. Die Dämmerung war angebrochen.
    Ornette machte halt, schwer atmend. Orn, kaum zwei Flügelspannen hinter ihr, hielt ebenfalls an. Die Jagd hatte aufzuhören, wenn die Sonne sank, um an Ort und Stelle fortgesetzt zu werden, wenn sie wieder aufging. Die Nacht diente der Nahrungsaufnahme und Ruhe und. Werbung. Tausende von Generationen vor ihnen hatten dies festgelegt, und die Regel durfte jetzt nicht gebrochen werden.
    Unter ihnen entwickelte sich der Sumpf aus einem hier verhältnismäßig kleinen Nebenarm des Flusses, in dem es Fische gab und Säuger in benachbarten Erdhöhlen und Insekten, die herausgekratzt werden konnten. Sie jagten unabhängig voneinander und nährten sich unabhängig voneinander. Dann, als die Dunkelheit über ihnen hereinbrach, begannen sie den Tanz.
    Ornette entfernte sich über die Ebene von ihm, bis sie ein weibliches Schweigen in der Ferne war. Orn stand da, den Schnabel erhoben, wartend. Eine Zeitspanne der Ruhe herrschte.
    Dann trat Orn nach vorne, spreizte seine Flügel und hielt sie ausgebreitet, um den sanften Abendwind einzufangen. Er stieß einen durchdringenden, lusterfüllten Ruf aus. Sie antwortete, spröde - dann Schweigen.
    Orn bewegte sich auf sie und sie sich auf ihn zu, beide beobachteten, lauschten, schnupperten nach dem anderen. Langsam näherten sie sich einander, bis er das Weiß ihrer gespreizten Flügel sah. Die Schwungfedern waren leicht phosphoreszierend, wenn sie auf diese Weise entblößt wurden, glatt von den Ölen des Werbungszeremoniells; so war sie eine geflügelte Umrißlinie - lieblich. Und er war es auch für sie.
    In Sicht des anderen stolzierten sie, er in der männlichen Gangart, sie in der weiblichen. Sie näherten sich einander, umkreisten sich, zogen sich zurück, die Füße unisono auf den Boden schlagend, die Flügel immer gespreizt. Dann stand Orn ihr gegenüber und schloß die Flügel, wurde unsichtbar; und sie führte ihren Solotanz vor.
    Flügel offen; Flügel geschlossen; sie leuchtete, leuchtete nicht, ein diffuser Leuchtkäfer; ihre Füße stampften im verschlungenen Versmaß der Werbung, jetzt gleichmäßig, jetzt unregelmäßig, immer unwiderstehlich. Weit zurück in ihrer Ahnenreihe hatten die Frauen diese Folge für die wartenden Männer vorgeführt und sie mit dem Hochzeitsritual

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