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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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sich, ob sie es überhaupt gewollt hätte und warum er ausgerechnet jetzt darüber nachdenken musste, wo er bisher nie einen Gedanken an dieses Thema verschwendet hatte. Griff er in seiner Furcht schon wie ein Ertrinkender nach jedem Schemen in den Wellen, das entweder Treibholz oder Täuschung war? Und dann dachte er wieder an Fort Detrick, und in seinem Kopf herrschte völlige Leere.
    Gegen elf Uhr hatte er noch immer keinen Plan gefasst, dessen Ausführung nicht unmöglich gewesen wäre, und niemand von den Leuten, die er beim Militär noch kannte, begriff auch nur ansatzweise, was er wollte, als er sie nacheinander anrief, um ein paar Fragen zu stellen. Darum, weil ihm nun jede Ablenkung recht war, buchte er einen Flug nach Atlanta.
    Jude gab gerade die Einzelheiten in sein Tagebuch ein, als ihm bezüglich des Dossiers, das in seiner Wohnung lag, eine merkwürdige Möglichkeit in den Sinn kam. Sie war so offensichtlich, dass er sich fragte, weshalb er noch nie daran gedacht hatte. Angenommen, die Papiere befanden sich alle in einem Aktendeckel, weil sie sich alle auf einen einzigen Mann bezogen? Die Verbindung zwischen dieser Idee und dem Alkohol verursachte ihm Schwindel.
    Er zahlte und ging eilig im Nieselregen, der gerade erst eingesetzt hatte, nach Hause.
     
    Als Dan zur Klinik kam, fand er ein Chaos vor. Polizei- und Militärfahrzeuge blockierten die Zufahrt wie Baumstämme einen Schleusenkanal. Nachdem man ihn durchgelassen hatte, stellte er fest, dass die Korridore voller Menschen waren, die umherhetzten, sich gegenseitig in beide Richtungen winkten, und mit abgehackter Stimme stakkatoartig in Mikrofone und zueinander sprachen. Ihre Rufe hallten von den Wänden und der Decke wider und vermischten sich zu einem sinnlosen Getöse. Die Alarmsirenen waren abgeschaltet worden, doch die dadurch entstandene plötzliche Stille wirkte noch desorientierender, als es das Gekreische gewesen war. Das Fehlen von Lärm beunruhigte Dan. Aus Bruchstücken, die er hörte, schloss er, dass es eine Art Micromedica-Ausbruch gegeben hatte – eine Kontamination –, und dass Bobby X irgendetwas Schlimmes zugestoßen war.
    Dans erster Gedanke war, Natalie zu suchen. Doch als er fragte, wo sie sei, sah ihn der Wachmann, der seine Personalkarte geprüft hatte, nur ausdruckslos an. »Melden Sie sich auf Ihrer Station und warten Sie auf Anweisungen.«
    Dan musste sich auf die Lippe beißen, sonst hätte er dem kleinen Scheißer ins Gesicht gesagt, er solle ihn am Arsch lecken. Wenn solche Typen mal zwei Minuten das Sagen bekamen, hoben sie schon den rechten Arm. Sieg Heil! Dan nahm seine Karte zurück und schob sich durch die Menschen, die sich vor der Tür zum Therapie-Flügel drängten, wobei er auf mehr als einen Fuß trat.
    Im Warteraum war eine vorübergehende Leitstelle eingerichtet worden, und dort sah er endlich bekannte Gesichter. Sie alle sahen blass und abgespannt aus. Niemand lächelte. Dazwischen standen zwei Beamte in Bio-Anzügen mit Luftreinigern in den Händen. Der Kopfschutz hing ihnen in den Nacken; wenn also wirklich die Gefahr bestanden hatte, dass aktives NervePath in die Luft entwichen war, so war sie bereits vorüber.
    Er schnappte sich einen der anderen Pfleger, den er kannte, als der Mann an ihm vorüberging – Roscoe aus der NervePath-Neurochirurgie-Abteilung. »Was ist hier los?«
    »Bobby ist weg. Vom Antlitz der Erde verschwunden. Er wurde gerade von Dr. Armstrong behandelt. Mit ihr ist auch irgendwas.«
    »Was?« Dan packte Roscoe fester, obwohl der sich von ihm zu lösen versuchte und offensichtlich fortwollte. Sie hatten sich nie viel zu sagen gehabt. »Wo ist sie?«
    »Q-1.« Roscoe wand sich frei und schüttelte Dans Hand ab. Er musterte ihn von oben bis unten und verzog den Mund. »Du solltest dir mal langsam überlegen, was du eigentlich willst, Connor. Du drückst den Durchschnitt. Sie ist viel zu gut zu dir gewesen.«
    Dan holte Luft, nicht wegen der Beleidigung – er stand über dergleichen –, sondern wegen der Information. Er war noch immer im Mantel, und immer stärker ereilte ihn das Gefühl, zwei ungleiche Schuhe zu tragen, aber er machte sich nicht die Mühe nachzusehen. Wie sich herausstellte, hatte Roscoe Recht.
    In der Beobachtungsgalerie von Quarantäne-1 traf Dan auf Schwester Charlton, die mit einem abwesenden Gesichtsausdruck in den Raum hinter der Scheibe blickte. Sie hatte die Arme eng an sich gezogen, als wollte sie sich vor dem Licht verkriechen.
    Dan trat neben sie und

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