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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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aufschreiben, aber das hat er nie getan.«
    »Schade.« Mary legte ihm kurz die Hand auf die Schulter.
    »Es ist lang her. Noch einen?«
    »Warum nicht? Bestell schon mal.« Sie stand auf und ging sich pudern.
    Während sie fort war, sagte sich Jude, dass er ihr vermutlich reinen Wein einschenken würde. Ihr etwas zu verschweigen lag ihm wie eine schwere, fast schmerzhafte Last auf den Schultern, und er fühlte sich unglaublich müde. Er sorgte sich, White Horse könnte in solch großen Schwierigkeiten stecken, dass auch er ihnen nicht beizukommen vermochte. Er wusste nicht, was er unternehmen sollte, um ihr zu helfen.
    Er bestellte und blickte, während er wartete, zum Bildschirm über sich hoch, auf dem die Baseball-Höhepunkte des Jahres liefen, als sein Pad einen Dreifachton plärrte.
    Er knipste das Gerät an und las die eingetroffene Nachricht – eine kodierte Zeile, eine Privatmitteilung.
    Sie stammte von einem Kontaktmann in den Labors der Centers for Disease Control [2] in Atlanta. Der Mann hatte ihm das eine oder andere Mal bereits geholfen.
    Neue Verbindung nach Russland. Müssen uns treffen.
    Die Nachricht war als dringend gekennzeichnet, Flugzeiten und eine Reihe von Instruktionen waren angehängt.
    Jude steckte das Pad wieder ein, als Mary zurückkam.
    »Post? Jemand, den ich kenne?«, fragte sie leichthin und blinzelte.
    Eine Sekunde lang störte ihn an diesem Blinzeln etwas. Es war, als flirtete sie, und Mary flirtete gewöhnlich nicht. Es war wie ein Zeichen, von dem Jude nur nicht wusste, was es zu bedeuten hatte. Noch immer hatte er die Nachricht aus Atlanta nicht verdaut. Er schüttelte seine Befremdung ab.
    »Niemand Nettes«, sagte er und griff nach der Speisekarte, als fiele es ihm erst jetzt ein. Dadurch brauchte er ihr nicht in die Augen zu blicken und sich schonungslos von ihr ausfragen zu lassen. Er schwieg. »Nach wie weit oben sollen wir mit unseren Untersuchungen eigentlich gehen?«
    Sie lehnte sich mit gespielter Überraschung zurück. »Nach wie weit oben? So weit wie nötig. Wir sind dazu da, das Gesetz bei jedem durchzusetzen.«
    »Richtig.« Er klappte die Speisekarte auf. »Willst du hier was essen?«
    »Nein«, sagte sie. »Noch nicht. Komm schon, Jude. Was hast du auf dem Herzen?«
    Er starrte auf die Liste. »Ich glaube, etwas steht mir bis zum Hals, aber ich bring’s nicht über die Lippen«, sagte er schließlich.
    Sie nickte. »Nur weiter.«
    »Ich weiß nicht, ob das richtig wäre.« Er steckte die Speisekarte in den Ständer zurück und schob ihn über die Theke von ihnen weg, dann erst wandte er sich Mary wieder zu. »Wir sind schon seit langer Zeit Freunde, und vermutlich ist es besser für dich, wenn du nichts davon weißt.«
    »Jude, um Himmels willen.« Sie lächelte und stupste ihm mit der Spitze ihres weichen Schuhs gegen das Schienbein. »Lass mich dir helfen. Hat es mit White Horse zu tun?«
    »Nicht nur.« Er faltete die Hände und wendete sie nach außen, streckte die Finger und hörte zwei Knöchel knacken. Er spürte, dass er an einem entscheidenden Punkt angelangt war, an einem Kreuzweg der Ereignisse, wo sein nächster Zug auf die eine oder andere Weise einen Augenblick in der Luft schwebte und sich dann unausweichlich in die Zukunft stürzte, ohne dass es einen Ausweg gab. Er seufzte; bei dieser Erkenntnis stockte ihm der Atem, und er fühlte sich hilflos. Wie jemand, der einer alten, längst vergessenen Bandaufnahme seiner Stimme lauscht, hörte er sich selbst sprechen, als wäre er ein Fremder.
    »Ich brauche ein, zwei Tage, um darüber nachzudenken, okay? Ich nehme mir frei und versuche, es auf eigene Faust zu erledigen.«
    »Aber wenn du es allein nicht schaffst, lässt du dir dann von mir helfen?« Sie sah ihm beschwörend ins Gesicht. »Wenn es gefährlich ist …«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Wir sprechen später darüber.«
    Im Laufe der nächsten Stunden tranken sie noch drei Runden, sprachen über nichts Besonderes und blieben schließlich bei den Einzelheiten der Schlappe in Florida hängen. Doch nichts davon konnte seine Gedanken vom Inhalt des Dossiers und Natalie Armstrong ablenken. Er trug kaum zum Gespräch bei. Zum Abschied sagte Mary: »Wenn du reden möchtest …«
    »Sicher. Danke.« Jude blickte ihr hinterher. Er begriff, dass er Natalie mochte, weil sie ein kluger Kopf war wie Mary. Während er sein viertes Bier trank, wunderte er sich, warum er nie mit Mary ins Bett gegangen war. Plötzlich fühlte er sich einsam und fragte

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