Mappa Mundi
Fälschung sein … angefertigt von einer ausländischen Behörde, die Patient X gefangen hält und ihn für ihre eigenen Experimente benutzt …
Nun, das erschien schon weitaus plausibler als ein Kerl, der sich in Luft auflöste. Doch blieb das eigenartige Zusammentreffen mit Natalie Armstrongs Fall:
Doktor Natalie Armstrong (behandelnde Ärztin) versuchte gerade Patient X ruhig zu stellen, als der Zwischenfall sich ereignete. Als unmittelbar darauffolgende Konsequenz …
Eine darauf folgende Konsequenz? Richtig: Shalonda Neuberg, deren Icon diesen Abschnitt markierte, war Exjuristin. Dix schrieb ihr immer wieder knappe kleine Notizen, sie solle Redundanz vermeiden …
Als unmittelbar darauffolgende Konsequenz verlor Dr. Armstrong das Bewusstsein. Untersuchung mithilfe von MicroScan ergab, dass ihre semiprototypischen Naniten Typ NervePath Klasse 2.1 (vier Jahre zuvor unter dem Unterlizenzprogramm des britischen Verteidigungsministerium für Grundlagenforscher installiert) zu einem nicht näher festzulegenden Zeitpunkt seit ihrer letzten Untersuchung gegen elektrochemische Übertragungsnaniten Typ NervePath Klasse 7.8 ausgetauscht worden waren. Die Programmierung der in ihr vorhandenen NP-Einheiten erwies sich als identisch mit der von Patient X vor seinem Verschwinden; das System war aktiviert. Dr. Armstrongs System wurde auf Befehl von Michail Guskow, der durch seinen Vertreter Dr. Calum Armstrong handelte, 41 Minuten nach Beginn deaktiviert … Natalie Armstrong verbleibt in einem Q-1-Containment … sie könnte unsere einzige Testperson sein, die einen fortgeschrittenen und erschöpfenden NervePath-Prozess überlebt hat …
Mary konnte unmöglich sagen, wann sie aufgehört hatte, in die Pedale zu treten, doch sie stellte fest, dass sie auf der Stelle stand, auf den großen Bildschirm starrte und sich fragte, ob Guskow mehr darüber wusste, als sie bisher angenommen hatte. Bei solchen Überlegungen prickelte ihr immer die Haut vor unguter Vorahnung. Wenn ihr die Abschirmung von Mappa Mundi zu diesem späten Zeitpunkt misslang, weil sie Guskow unterschätzt hatte, war sie erledigt.
Der Saboteur in der Klinik war nicht aufgegriffen worden. Sein Werk war mehr als nur ein bisschen verdächtig gewesen – ein ungetestetes, eigenwilliges Mindware-System zu implementieren, von dem Mary vor dem gestrigen Tag noch nie etwas gehört hatte. Ein System, das von der gleichen Natalie Armstrong geschrieben worden war, die es nun infiziert hatte. Dahinter stand eine ganz merkwürdige Theorie des Bewusstseins, die Mary nicht verstanden hatte. Sie wusste nur, dass die Briten Natalie Armstrongs Anträge auf Förderung stets abgelehnt hatten. Doch nach allem, was man hörte, wäre diese Frau die erste Kandidatin gewesen, ihr Projekt an sich selber auszuprobieren, hätte sie nur Zugriff auf die nötige NervePath-Version besessen, was angeblich nicht der Fall gewesen war. Doch dort stand es in kühlen, fußlangen Lettern – Klasse 7.8, das Beste und Neuste, für eine Verwendung außerhalb des Verteidigungsministeriums nicht zugelassen. Auf keinen Fall konnte Armstrong es in die Hände bekommen haben.
Und gerade deshalb wirkte das Ganze nicht wie ein Schwindel. Natalie Armstrong musste eine wie auch immer geartete Querkontamination erlitten haben. Konnte sie das Ganze geplant haben? Sogar das war möglich.
Mary verabscheute Ungewissheit dieses Ausmaßes. Sie stieg vom Rad und rieb sich mit dem Handtuch trocken, dann schaltete sie die Displays wieder auf Berglandschaft zurück, damit ihr Trainer nicht merkte, dass sie während des Work-out gearbeitet hatte. Sie nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Wasserflasche. Ein einzelner Tropfen lief ihr am Kinn hinunter und plitschte ihr eisig auf die Brust. Eigentlich zweifelte sie nicht, dass Guskow in diese Geschichte verwickelt war. Dix war ein großes Risiko eingegangen, indem sie ihn so lange und in so vielen Projekten einsetzte. Bisher hatte er nie einen falschen Schritt gemacht, und das war vielleicht schon Grund genug zu vermuten, dass er insgeheim eigene Absichten verfolgte. Sie hatte sein Dossier gelesen, bevor es verschwunden war, und wusste darum, dass er vielleicht jeden in der Liga schlagen konnte – aber sie nicht.
Auf keinen Fall würde Natalie Armstrong in sein Mappa-Mundi-Eliteteam kommen. Allenfalls als Testperson untergeordneter Bedeutung. Inzwischen würde Mary nach Patient X suchen und Guskow unter so strenge Überwachung stellen lassen, dass er nicht einmal mehr
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