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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Luft holen konnte, ohne dass sie davon erfuhr.
    Nachdem sie die neuen Informationen verarbeitet hatte, sah sie sich gezwungen, wieder über den eigentlichen Grund nachzudenken, aus dem sie sich zu einem harten körperlichen Training entschlossen hatte, das ihre Gedanken klären sollte: Auch Jude war nach England geflogen, um mit Natalie Armstrong zu sprechen.
    Mary hatte durch ihren straffälligen kleinen Maulwurf Dan Connor davon erfahren, der sich leichter lenken ließ als sonst jemand auf der Welt. Wo es so viele Möglichkeiten gab, ihn auf natürliche Weise zu formen, erschien die Anwendung von NervePath und Contour als übertriebene Grausamkeit. Als sie ihn unter Druck setzte, hätte er auch von selbst Judes Besuch ausgeplaudert. Von ihm wusste sie, dass Jude mit der Armstrong geschlafen hatte – und darüber war sie bis auf die Knochen eifersüchtig, obwohl sie es nur widerwillig zugab.
    Mary wusste mit Bestimmtheit, dass Jude ganz für sich allein geblieben war, seit seine letzte Freundin in lukrativere und glamourösere Gefilde entflohen war: kalifornischer Körper, blondes Haar bis zum Hintern, brennender Ehrgeiz und so weiter – ihre Gedankenfaulheit hatte ihm nie gepasst, obwohl es ihm nie aufgefallen war, bis sie die Du-schenkst-mir-nicht-genug-Aufmerksamkeit-Karte gegen ihn ausgespielt und ihm den Laufpass gegeben hatte. Jude war ein konzentrierter Mann, besessen von seiner Arbeit, freundlich und zuvorkommend, doch kein Girly-Girl würde ihn unter dem Strich als ergiebig betrachten. Schon oft hatte Mary mit dem Gedanken gespielt, Jude zu verführen, denn jedes Mal, wenn sie ihn sah, erinnerte sie sich, dass sie während der ersten sechs Monate ihres Einsatzes beim FBI über beide Ohren in ihn verknallt gewesen war, aber sie hatte sich immer gezügelt. Diese Sorte Dynamit explodierte am wahrscheinlichsten, wenn man gerade den Kopf darüber hielt, und Mary musste sich Judes sicher sein können. Dass er mit Lucinda zusammen kam, war lästig gewesen, aber verständlich – Lucinda war ein völlig oberflächlicher Charakter gewesen und hatte Mary in keiner Sphäre bedroht, die ihr etwas bedeutete. Doch die Vorstellung, dass er mit einer anderen Frau, insbesondere einer intelligenten Frau, die noch dazu so großartig aussah wie die Armstrong … Mary knirschte mit den Zähnen und schüttete sich den Rest aus der Wasserflasche in den Hals.
    Am meisten erbitterte sie, dass er ihr am vergangenen Abend beinahe alles erzählt hätte, im letzten Moment aber plötzlich den Mund nicht mehr aufmachen wollte. Sie hatte nicht gewagt, ihn zu bedrängen, sonst hätte sie am Ende noch sein Misstrauen geweckt. Heute jedoch könnte sie es erneut versuchen. Er war ihr recht abgespannt erschienen. Früher oder später musste er sich jemandem mitteilen. Dann wollte sie zur Stelle sein, und dann konnte sie sich vielleicht sogar dazu bringen, großmütig über sein Verhältnis mit der Armstrong hinwegzusehen, mitfühlend, als Kumpel, mit dem er die Vertrautheit des Umkleideraums teilte. Das konnte ihr gelingen – aber schnell müsste es gehen, denn sie hatte bereits entschieden, dass sich eine hinreichende Kontrolle der Situation nur noch erreichen ließ, indem man den britischen Teil der Operation abblies. Inzwischen würde sie Jude mit der B-Waffen-Abwehrschau ablenken, ein legitimer Abstecher, der ihr sehr gelegen kam. Vielleicht stieß sie sogar auf die Goldader, und Perez teilte ihnen einen neuen Fall zu, der Judes Aufmerksamkeit von allem fern hielt, was Mappa Mundi berührte.
    Mary öffnete die Tür des Velotheaters und warf Handtuch und Flasche in den Korb. Ihr Trainer eilte herbei, um Zeiten und Fettwerte auszuwerten, doch das war ihr viel zu akademisch. Sie ließ ihn sich sein Geld verdienen, dann ging sie zur Massage und zur Wachsenthaarung bei dem einzigen Masseur, bei dem man sich darauf verlassen konnte, dass er nicht versuchte, einen Smalltalk anzufangen. Wachsenthaarung war eine Qual, der ideale Auftakt zu einem Tag, an dem es heiß herging.
     
    Natalie schlug mit der flachen Hand gegen die Wand und fuhr zu ihrem Vater herum. Sie standen in der Küche, und sie hatte gerade zum fünften Mal vergeblich versucht, Dan zu erreichen.
    »Die sperren die Telefone«, stieß sie hervor. Damit meinte Natalie das Verteidigungsministerium, das ohne Zweifel das Haus unter strenger Beobachtung hielt. Noch strenger als damals, als sie mit Jude hier war. Der Gedanke an diesen merkwürdigen, bezaubernden Abend machte sie umso

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