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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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sagte er und erzählte ihr, dass Bobbys Frau ihn angerufen und davon geredet habe, Bobby im Haus gesehen zu haben. Bobby spuke bei ihr, und sie verlange, dass das aufhörte. »Und du?« Er war ernst wie immer und steif wie ein Flaggenmast. Er war nicht hereingestürmt, um sie in die Arme zu schließen, und hatte auch sonst nichts leichtfertig Liebevolles getan.
    Natalie nickte. Sie zahlte ihm seine Gelassenheit mit gleicher Münze zurück. »Nach meinen Berechnungen läuft das Selfware-Programm bei mir nur achtundvierzig Minuten hinter ihm. Wenn du es also reaktivierst, geschieht mit mir vielleicht das Gleiche. Ich nehme an, dass McAlister bereits in der einen oder anderen Besprechung darauf aufmerksam gemacht hat?«
    »Du bist zynisch.« Doch er nickte bedächtig. »Selbstverständlich lasse ich das niemals zu.«
    Sie wartete, dass ihr Vater etwas dazu verlauten ließ, weshalb nicht er oder McAlister das Programm abgebrochen hatte, sondern Dan. Doch er wich ihrem Blick aus und schaute sich stattdessen im Raum um, ob alles seine Ordnung habe.
    »So, dann bestimmst du also jetzt über mich? Im juristischen Sinne bin ich nicht mehr zurechnungsfähig, ist das richtig?« Doch sie kannte die Antwort schon. Wie viel bequemer es doch war, alles in die Wege zu leiten, ohne erst mit ihr besprechen zu müssen, was eigentlich vorgefallen war. Nicht dass sie plötzlich wieder in die alten Tage zurückversetzt gewesen wären. Leider!, dachte sie, denn dann würde ich dich wirklich zur Minna machen, du alter Blödian. Laut sagte sie: »Aber ich glaube nicht, dass sie sich von deiner Weigerung lange hindern lassen. Wie interessant, dass ausgerechnet das Verfahren, mit dem ich den Menschen dazu verhelfen wollte, mehr sie selbst sein zu können, mir nun wie durch Zauberei mit einem Schlag sämtliche Persönlichkeitsrechte entzogen hat.«
    Calum wirkte geistesabwesend, und das lag nicht nur an ihren Versuchen, ironisch zu sein. Er drehte sich um, blickte in die Kamera, dann auf sie und flüsterte emphatisch: »Wenn es einen Ausweg gäbe, meinst du, ich hätte ihn nicht probiert?«
    »Du«, entgegnete Natalie und genoss ganz ihren Augenblick, auf den sie viele Jahre gewartet hatte, »hast in der Vergangenheit schon vieles getan, um mich zu ändern. Es gab einmal eine Zeit, da hätte ich gedacht, du würdest meine jetzige Lage als die große Gelegenheit ansehen, mich ein für alle Mal in Ordnung zu bringen: keine Depressionen mehr, keine Manien, keine verrückten Ideen. NervePath wäre dein Werkzeugkasten gewesen, und du wärst eine Art Marionettenspieler geworden, der mir einen neuen Kopf schnitzt, damit ich mich ganz der Wissenschaft widme.« Sie schwieg. Er sah sie grimmig an; ganz offensichtlich ärgerte ihn, dass sie in diesem Ton mit ihm sprach. Sein Mund zuckte, doch er sagte nichts.
    »Ich sehe aber ein, dass ich mich geirrt habe«, sagte sie und griff nach seiner Hand. »Ich weiß, dass es keinen Ausweg gibt. Und ich bin selbst daran Schuld. Selfware.«
    »An gar nichts bist du schuld. Bill war der Täter«, entgegnete ihr Vater mit einem Hass, den Natalie ihm niemals zugetraut hätte. Seine Finger schlossen sich um ihre Hand, bis er ihr fast wehtat. »Guskow.«
    Natalie befreite ihre Hand und aktivierte ihr Pad. »Ich habe heute Morgen einen Brief von ihm bekommen, in dem er mich einlädt, mich euch in eurem amerikanischen Versteck anzuschließen.« Sie zeigte Calum den Brief, und er starrte darauf. »Eine Abgeschottete Anlage? Sehr schwierige Zeiten für das Projekt.«
    Calum senkte zur Bestätigung den Blick, nahm sie wieder bei der Hand und hielt die Augen lange geschlossen. Zum Teil rührte sein zustimmendes Schweigen von Scham über ihren Zustand her, denn in der Vergangenheit hatte er sich immer gewünscht, sie wäre anders, und dieser Wunsch war ihm nun erfüllt worden. Er legte den Kopf auf die Decke über ihren Knien und seufzte.
    »Charlotte«, sagte er, ein Verweis auf eine andere Zeit.
    Natalie drückte ihm die Finger. »Schon gut, Dad. Ich verstehe ja.«
    »Meinst du?«
    Sie wusste es nicht. Sie verstand nicht seine stille Art von Liebe, die beobachten konnte, wie das, was sie liebte, sich immer weiter entfernte, und doch nichts dagegen unternahm, sondern darauf wartete, dass es wiederkehrte, als wäre es eine Brieftaube, deren Instinkt sie zum richtigen Dachboden zurückführt, wenn man ihr nur genügend Zeit lässt. Und nachdem Charlotte aus dem Käfig entflogen war, hielt er in einer kompletten Umkehrung des

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