Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
Vom Netzwerk:
sein. Mary, Sie werden das Interesse des FBI am Projekt Mappa Mundi beenden. Juan, Sie sorgen dafür, dass alle anti-perfektionistischen Aktionen der Dunklen Fraktion hinausgezögert werden, bis das Mappa-Projekt sich völlig in der Abgeschotteten Anlage befindet. Alle anderen unterstützen die beiden Vorhaben, wo es geht. Und dann werden wir endlich den Punkt erreichen, an dem uns funktionstüchtige Systeme zur Verfügung stehen. Dann geht es nur noch um die Frage, ob wir zuschlagen oder nicht. Wir sind uns alle über die Auswirkungen im Klaren. Schieben wir es nicht noch länger auf. Es wird Zeit abzustimmen.«
    Das Schweigen, das auf ihre Worte folgte, wirkte in fast greifbarer Weise finster, dass Mary bei sich rief: Götterdämmerung, dunkle herauf!, und am liebsten lauthals gekichert hätte. Sie biss sich auf die Zunge.
    Wenn Mappaware erst einsatzbereit war, konnte man damit die Feinde der Vereinigten Staaten dadurch beseitigen, dass man sie einfach als staatstragende Bürger neu erschuf.
    Guskow hatte ihnen lange und ermüdende Vorträge über das Wie und Warum gehalten, einschließlich theoretischer Memetik und Genetik, Hirnphysiologie und Gedankenbildung, ganz zu schweigen Anpassungspsychologie und die vielen anderen komplizierten Kleinigkeiten, die man zu beachten hatte, wollte man die Persönlichkeit eines Menschen in ihre Bestandteile zerlegen. Niemand an diesem Tisch begriff davon auch nur die Hälfte, doch alle hatten verstanden, dass sie dadurch ein Werkzeug in die Hände bekamen, das Menschen geistig in Lehm verwandelte, den sie in jede Form modellieren konnten, die ihnen erstrebenswert erschien, so oft sie wollten.
    Von dieser Abstimmung hing ab, ob es die USA war oder jemand anders, der diese Mühe auf sich nahm, um die Welt zu einen.
    Mary glaubte Guskow, wenn er sagte, es sei einem Menschen möglich, grundsätzlich er »selbst« zu bleiben (wobei man sich in ein Minenfeld der Definitionsprobleme begab), während der Kern der Persönlichkeit hinreichend verschoben wurde, dass ein Taliban sich als im Ausland lebenden Amerikaner verstehen, der Flagge treu sein, die Demokratie vertreten und sogar Libertarianer auf der gleichen Straße dulden konnte, weil über ihnen allen das Sternenbanner flatterte. Es klang irrsinnig. Es musste erprobt werden. Ausnahmslos glaubten sie jedoch daran, denn sie hatten gesehen, wie Michail Guskow genau das durch die Anwendung einfacher Hypnose an einer der ihren bewerkstelligt hatte – an Sandy Piccirilli, Estevez’ Privatsekretär.
    Piccirilli hatte in diesem Raum gesessen, an seinem gewohnten Platz, und war binnen weniger Stunden nacheinander ein kommunistischer Revolutionär, ein frommer Hindu, ein Verfechter der Überlegenheit der weißen Rasse und der König von Siam gewesen. Guskow hatte erklärt, dass jeder Wechsel eine vollständige Verschiebung der Kern-Memeplexe erfordere, welche Sandys gesamten Memecube beeinflusse; der Memeplexe, durch die er unbewusst sein gesamtes Wissen über die Welt filtere. Das Ergebnis war sehr lustig erschienen. Doch ob Sandy nun aus tiefstem Herzen schwor, die Bourgeoisie zu zerschmettern oder Shiva zu opfern, das eigentlich Bemerkenswerte war, dass sie alle nach wie vor Sandy vor sich sahen, allerdings einen Sandy mit reichlich haarsträubenden Ideen.
    Diese neuen Ideen wären natürlich enormen Belastungen ausgesetzt gewesen, wenn sie angehalten hätten. Die Unvereinbarkeit dieser Anschauungen mit seiner Umwelt, mit der Wirklichkeit, die ihm von seinen Freunden vermittelt wurde, hätte sie am Ende entweder zerstört oder ihn ins Irrenhaus gebracht. Guskow behauptete jedoch, dass es in Gegenwart von NervePath dazu nicht mehr kommen werde. Weil das System das gesamte Bewusstsein neu strukturierte, die neue Idee zu bevorzugen, drang sie in die Persönlichkeit ein, ohne dass es zu internen Konflikten kam.
    Die Identität war der geheiligte letzte Teil des Individuums, in den sich die Wissenschaft noch auf keiner tiefer gehenden Ebene als auf der des Gesprächs eingemischt hatte. Bald würde das an der Tagesordnung sein.
    Genau wie bei den Methoden zur körperlichen Perfektionierung war niemandem auch nur entfernt wohl dabei, einen »normalen« Standard und eine »erwünschte« Bandbreite von Werten festzulegen. Doch solange man nur davon sprach, aus gefährlichen Gegnern Verbündete zu machen, die alle »essenziellen« Merkmale ihrer Andersartigkeit behalten konnten (»ihre Farbe«, dachte Mary), fand man das Unbehagen nicht

Weitere Kostenlose Bücher