Mappa Mundi
wie die Kodenummer eingegeben wurde. Ihre Finger bewegten sich, bevor sie die Zahl hätte aussprechen können.
Eins Drei Zwei Eins.
Die Tür öffnete sich. Während der Steward sie an der Jacke packte, bahnte sie sich einen Weg durch die Öffnung und drängte sich in die kleine Nische hinter der Navigationskonsole. Sie nahm das gesamte Cockpit blitzartig in sich auf und griff augenblicklich nach dem Pfeffersprüher, den der Steward aus seinem Gürtel zog, als er sich plötzlich an seine Verhaltensmaßregeln bei einer drohenden Entführung erinnerte.
Sie schnipste die Kappe weg und verpasste ihm eine Dosis. Als er sich zusammenkrümmte, trat sie ihn nach hinten von sich fort und riss mit der Stärke, die aus Wut erwächst, das Tastenfeld von der Wand. Die Tür summte protestierend und fuhr knallend zu: eine weitere Taktik zur Terroristenabwehr.
Natalie warf den Klumpen aus Draht und Plastik auf den Boden und stützte sich mit dem Rücken an das Schott, während die Piloten sie feindselig anstarrten. Einer suchte mit dem Fuß nach dem Notknopf, verrutschte aber auf seinem Sitz, als das Flugzeug in die Atmosphäre eintauchte und ein heftiger Stoß durch den Rumpf ging.
Durch die Fenster konnte Natalie gerade den hohen Bogen des blauen Erdhimmels sehen, der leuchtete, als das Sonnenlicht hindurchschoss, die weißen Wolken wegbrannte und auf der fernen Ozeanfläche funkelte. Sie stürzten mitten hinein, und das erste, von der Wiedereintrittshitze komprimierte Gas begann über die Nase zu lodern. Sie fragte sich, wo Dans Leiche war und ob man sie je finden würde.
»Ich habe eine Bombe«, sagte sie.
Entschlossen. Laut. Nachdrücklich. Bestimmt.
Ich.
Habe.
Eine.
Bombe.
Vier Wörter, die einen sehr großen Raum voll unangenehmer Möglichkeiten aufspannen und füllen.
Sie wartete, bis die Piloten die Information verarbeitet hatten.
»Senden Sie keinerlei Signale.«
Drohend sah sie den Piloten an, und er zog seinen Fuß zurück und hakte die Spitze hinter den anderen Knöchel.
»Leiten Sie diesen Flug nach JFK um.«
Natalie war, als lebte sie im Leben von jemand anderem, als ritte sie auf einer Welle. Sie fühlte sich, als fantasiere sie, doch dieses Gefühl war ihr von außen nicht anzumerken.
Die Kopilotin sah sie verdutzt an. »Nach New York?«, fragte sie, zog die Brauen zusammen und legte die Stirn in Falten. »Wir fliegen nach Washington, und Sie wollen uns nach … New York umleiten?«
»Genau«, sagte Natalie.
»Zum Teufel, Süße, von D.C. nach New York können Sie doch mit dem Auto fahren«, erwiderte die Kopilotin; ihre Augen wirkten starr und rund in ihrem dunklen Gesicht.
Natalie hielt ihrem Blick stand.
Die Piloten tauschten einen verwirrten Seitenblick.
»Eine Bombe?«, fragte der Pilot. »Wo?«
Natalie klopfte sich auf die Brust. »Hier. Eigens angelegte Körperhöhle. Eine Lunge entfernt dafür. Genug Plastiksprengstoff, um uns alle drei zu erledigen und die Nase abzureißen. Auslöser ist ein Zahnschalter.«
Davon hatte sie in einem Buch gelesen; die Geschichte klang gerade so plausibel, dass sie es damit zu versuchen wagte. Ihre Wut und ihre Trauer wegen Dan verliehen ihr mehr als genügend emotionale Überzeugungskraft.
»JFK.«
Die Kopilotin seufzte und nickte. »Okay, Lady, das ist Ihre Party.«
Der Pilot sagte: »Sie wissen, dass Sie eine mildere Strafe zu erwarten haben, wenn Sie sich freiwillig in Gewahrsam begeben, bevor wir den Kurs ändern und die Behörden informieren müssen.«
»Ach, wirklich?«, fragte Natalie geringschätzig. »Also gut.«
Sie starrten sie an.
»Soll das jetzt ein Scherz sein?«, fragte die Kopilotin und zog wieder die Brauen zusammen.
»Nein«, sagte Natalie und hielt ihr die Arme hin, damit sie ihr Handschellen anlegen konnte. »Das ist völlig ernst. Rufen Sie die Polizei und lassen Sie mich noch auf der Landebahn festnehmen. Ich hab’s mir anders überlegt. Aber das kann ich wieder tun.« Sie grinste.
Der Pilot übernahm wieder das Steuer und gab der Crew Anweisungen für Natalies Festnahme. Die Kopilotin schüttelte nur den Kopf.
»Sie sind bekloppt«, sagte sie zu Natalie. »Dafür kriegen Sie fünf bis zehn Jahre.«
»Auf der Landebahn«, wiederholte Natalie. »Mit vielen Beamten und einem großen, bombensicheren Gefangenenauto.«
Durch die Scheiben sah sie zu, wie die Farbe über ihr allmählich von schwarz zu blau überging.
16
Jude blickte auf das Gesicht seiner Schwester nieder und erkannte, dass er durch die boshafte
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