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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Geländes Position bezogen hatte.
    Erst als der Gefangenenbus an seinem Ziel anlangte und sich beim Öffnen als leer erwies, ohne dass man darin auch nur eine Spur von Dr. Armstrong fand – außer zwei rotgefärbten Haaren und einigen Stofffasern, die mit denen auf ihrem Sitz im Flugzeug übereinstimmten –, war der Alarm ausgeweitet worden. Während das FBI einen Fernsehzauberer als Fachmann hinzuzog, um sich erklären zu lassen, wie Dr. Armstrong aus einem Hochsicherheitsfahrzeug entweichen konnte, ohne es augenscheinlich zu beschädigen, hatte Mary sich gerade in die Badewanne sinken lassen, um sich zu entspannen, denn sie hatte einen stressreichen Tag hinter sich.
    Die Nachricht bewog sie, schon nach fünf Minuten wieder aus der Wanne zu springen und sich anzukleiden. Dabei stieß sie jeden irischen Fluch aus, der ihr in den Sinn kommen wollte. Armstrong hatte verstanden und wollte trotzdem nicht mitspielen? Vielleicht eröffnete ihr das Zeug in ihrem Kopf jedoch eine völlig neue Welt des Genies, sodass Mary nicht schnell genug reagieren konnte. Aber daran wollen wir nicht denken, sagte sie sich, während sie sich die Beine so fest abrubbelte, dass sie knallrot wurden. Nur nicht übers Ziel hinausschießen.
    Sie zwang sich, ihr Haar langsam zu kämmen und gewissenhaft die Knäuel zu beseitigen, während sie Judes Nachricht las, diejenige, die sie im Pentagon ignoriert hatte.
    »Mary – White Horse ist nie in deiner Anwaltskanzlei angekommen. Sie wurde im Fluss gefunden, heißt es. Ich muss sie identifizieren. Können wir uns treffen? Nur für alle Fälle. Ich habe ihre Nummern versucht, aber keine Antwort bekommen. Es ist, als wäre ihr Pad verschwunden, selbst wenn man Max-Trace benutzt. Oder komm mich zu Hause besuchen. Oder ruf mich schnellstmöglich zurück. Jude.«
    Es klang nicht, als hätte er sie in Verdacht, obwohl er von ihrer Verbindung zur fraglichen Anwaltskanzlei wusste. Dennoch war es nun einige Stunden her. Mary rief ihn an. Sie erhielt keine Antwort, nur die Auskunft, sein Pad sei nicht erreichbar. Vermutlich war er zu Hause und hatte alles abgeschaltet. Sie musste sofort zu ihm.
    Mary zog sich Jeans und einen Sweater über die Unterwäsche und stieg in ein Paar Cowboystiefel. Mit einer Schleife band sie sich das Haar in den Nacken. Sie blickte in den Spiegel und legte nur wenig Make-up auf. Allein bei dem Gedanken, was zu tun sie befohlen und was sie selbst getan hatte, fühlte sie sich schwindlig. Sie war sich nicht sicher gewesen, wirklich dazu imstande zu sein. Nicht einmal die Isolierung von Guskows Wissenschaftlern hatte sie sich zugetraut, doch es war ihr gelungen. Warum befleckte nun Abscheu ihr Hochgefühl? Das Gesicht im Spiegel kam ihr kaum noch wie das eigene vor. Die Grundierung und das Rouge genügten nicht, um es in Ordnung zu bringen, doch als Mary sich parfümiert hatte und ihre Handtasche nahm, fühlte sie sich wieder ganz normal. So war es eben, wenn man eine rücksichtslose, zum Erfolg entschlossene Karrierefrau war – man erlebte Augenblicke verzerrter Freude und weite Flächen gleichförmigen, langweiligen, normalen Lebens. Sie konnte nicht sagen, ob sie das enttäuschend nennen wollte. Vielleicht wäre sie glücklicher, wenn sie sich einen zweiten Kopf hätte wachsen lassen. Bei der Vorstellung musste sie lachen.
    Bis zu Judes Wohnung waren es nur fünf Häuserblocks. Deshalb ging sie zu Fuß, sammelte auf dem Weg ihre Gedanken und machte Halt am Supermarkt an der Ecke, um Jude ein Care-Paket mit dem Notwendigsten mitzubringen: Milch, Kaffee, Obst und seine Lieblingssorte Eiskrem. Aus Gewohnheit nahm sie den Hintereingang zu dem Haus, in dem er wohnte, indem sie ihren Nachschlüssel benutzte – als sie White Horse besuchte, hatte sie ihn mit voller Absicht benutzt, falls der neugierige Portier auf die Idee kam, sich über ihre Besuche das Maul zu zerreißen, und selbst jetzt, wo kein direkter Grund dafür bestand, erschien es ihr sinnvoll.
    Als sie auf das Touchpad neben der Tür drückte, war ihr mulmig: Noch nie hatte sie Jude unter hohem Stress erlebt, und darum wusste sie nicht, was sie erwartete. Ihre Neugier schwand jedoch, als die Sekunden verstrichen und sie begriff, dass er entweder nicht öffnete oder nicht zu Hause war.
    Sie nahm ihr Pad heraus und übersteuerte das Türsystem. Kaum öffnete sich die Tür, als sie rief: »Jude? Ich bin’s, Mary. Tut mir Leid, wenn ich spät dran bin.«
    Sie bekam keine Antwort.
    Mary ging langsam hinein, schaute sich um

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