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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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nachdachte.
    »Tatsächlich stimmt das nicht ganz«, sagte sie. »Ich habe schon einmal einen Gedanken gehört, aber ich habe ihn nicht als solchen erkannt.«
    Er blickte sie widerstrebend durch seine langen Haarfransen an, das Gesicht noch immer voller Emotionen, die auszudrücken er nicht bereit oder fähig war.
    »Gestern. Ich bin davon aufgewacht. Ich bin rausgegangen, um zu sehen, woher er gekommen war, und habe geglaubt, er käme von Dan, auch wenn das lächerlich ist. Er war meilenweit entfernt. Aber ich stand unter Hausarrest, und sie ließen nicht zu, dass wir uns anriefen. Ich weiß nicht, ob er noch immer im Polizeirevier war – sie dachten zuerst, er hätte das Experiment sabotiert, weißt du.
    Deshalb dachte ich, das ist meine Chance, zu gehen und mit ihm zu sprechen. Doch unsere Wohnung war von der Polizei umstellt, und dort, wo ich gedacht hatte, Dan zu finden, war niemand. Darum bin ich wieder nach Hause gegangen. Ich wusste zwar nicht, was vorging, aber mir wurde klar, dass ich nicht mehr bleiben und gehorchen konnte – das Ministerium hatte etwas mit der Sabotage zu tun; zumindest ließen seine Leute das manipulierte Programm weiterlaufen, nachdem es begonnen hatte. Ich bin nicht an Bord des Flugzeugs gegangen, das ich nehmen sollte, und stattdessen hierher zu dir gekommen. Auf dem Flug …« Sie verstummte und blickte sich wie Hilfe suchend im Zimmer um. Dann schaute sie Jude ins Gesicht und klammerte sich an sein Misstrauen und sein Leid.
    »Ich bekam einen Anruf, von jemandem auf dieser Seite, auf der amerikanischen Seite, glaube ich. Ihr Akzent war völlig falsch. Sie hatte Dan. Sie sagte, wenn ich nicht auf der Stelle umkehrte und kooperierte, würden sie jemanden schicken«, sie bildete mit der Hand eine Pistole nach, die sie auf ihren Kopf richtete, »der mir etwas verpassen würde, das mich zum Gehorsam zwingt. Und für den Fall, dass ich nicht glauben wollte, dass so etwas möglich ist, hat sie damit vor meinen Augen Dan ermordet. Sie hat ihn einfach abgeschaltet. Er ist tot.«
    Jude schloss die Augen, straffte die Schultern und seufzte. »Es tut mir Leid.« In ihm kochten zu viele Gefühle, als dass er mehr sagen konnte.
    Natalie kam um die Theke herum und nahm Jude in die Arme. Er wandte sich ihr zu, und eine Weile hielten sie einander fest. Nach kurzer Zeit lösten sie sich in gegenseitiger, wortloser Übereinstimmung wieder voneinander, und Jude ging zu seinem Aktenkoffer zurück. Er klopfte seine Jacken nach dem Pad ab. Natalie schob die Hände in die Taschen und spürte mit der Linken ihr altes Pad. Jude sah sich ein letztes Mal um. Sein Blick fiel auf die grau-rote, zu einer Kugel zusammengeknüllte Teeschachtel, und dort verharrte er wie gebannt.
    Fast eine Minute lang blickte Jude die Pappkugel an.
    »Was soll das heißen?«, fragte sie leise, als er sich schließlich abwandte und den Aktenkoffer aufnahm.
    Sein Gesicht zeigte einen grimmigen Ausdruck; in diesem Moment sah er aus, als ginge er auf die fünfzig zu.
    »Das heißt, dass ich glaube, vielleicht ein Narr gewesen zu sein«, sagte er. »Ich kann dir aber nicht genau sagen, weshalb. Möglicherweise bedeutet es gar nichts.« Einen Moment fiel er wieder in Geistesabwesenheit und wirkte völlig verloren, doch dann übernahm der Marineinfanterist in ihm – oder vielleicht auch der Polizist – das Ruder, und er entgegnete: »Wenn White Horse den Scanner hier gelassen hat, dann habe ich ihn nicht gesehen. Brauchst du ihn?«
    »Ja«, sagte sie. »Ich habe nichts dabei. Er könnte uns nützlich sein, wenn jemand zu uns kommt, der bereits unter dem Einfluss steht, oder wenn ich die Selfware wieder aktivieren muss.«
    »Wieder?« Er blickte sie an, ohne zu begreifen. »Ich dachte, es wäre nützlicher, um abzuwehren, was sie auf dich abschießen.«
    »Vielleicht.« Sie sah, dass er noch nicht bereit war, ihrem Gedanken zu folgen – dass noch weiter beschleunigte Selfware ihr ermöglichen könnte, fast allen Schwierigkeiten auszuweichen. Sie ließ das Thema fallen. »Wir haben keine Zeit für eine lange Suche. Gibt es hier eine Stelle, an der sie es vermutlich versteckt hätte?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie hat hier nicht lange gewohnt.«
    »An welchen Stellen hat sie für gewöhnlich Dinge versteckt?«
    »Wo sie etwas versteckte? Ich …«
    Natalie sah, dass er an ihre Kindheit zurückdachte. »An Stellen, die eigentlich offensichtlich sind und dann doch nicht. Wo man gezielt nachschauen müsste. Sie hatte mal einen

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