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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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das Bobby X bevorstehende Schicksal zu Ende gegangen war, begann Jude willkürlich andere Dateien zu öffnen, nur um irgendetwas weniger Verstörendes zu Gesicht zu bekommen. Dabei stieß er auf hastige Notizen und Kritzelmännchen. Eine der Zeichnungen war besonders eigenartig, eine Ansammlung von Schnörkeln, Blümchen und gewundenen Ranken, die von fraktalbildähnlichen Linienanordnungen durchsetzt wurden. Nur ein einziges Wort stand darin, mitten in einer Dornenhecke, in der tote Tiere an den langen Stacheln der Ranken hingen. Es lautete: Verteilung???
    Jude legte das Pad weg und schloss die Augen. Keine Frage, die Verteilung war der Knackpunkt. NervePath unterlag strengsten Kontrollen und wurde nur in sehr begrenztem Umfang produziert. Ein weltumspannender Anschlag mit NervePath war unmöglich, solange sich daran nichts änderte. Nicht einmal die USA lagerten genügend NervePath dazu.
    Jude legte sich zurück aufs Bett und starrte an die kahle Decke. Ein böser, hinterhältiger Gedanke schlich ihm sich durch den Kopf, gleitend wie der Schweif einer großen Siamkatze.
     
    Natalie schrubbte sich kräftig unter der Dusche ab. Sie hatte sich verändert, und das lag nicht nur an der Selfware. Nun war es still, und sie hörte im Wasser das Geräusch eines Sturms, der aus der Ferne heranzog, tausend Klingen aus Wasser, die im Wind geschliffen wurden. Trotz der Wärme durch die Strahlen auf ihrer Haut zitterte sie krampfhaft. Es hatte angefangen, während Jude von Mary sprach. Natalie hatte versucht, den Grund dafür herauszufinden, doch aus Respekt vor ihm hatte sie aufgehört, sehen zu wollen, was er sah. Nun wünschte sie, weniger höflich gewesen zu sein.
    Als sie sich später abtrocknete, sah sie ihr Gesicht im Spiegel und fragte sich, ob sie sosehr am Ende wirkte, wie sie sich fühlte. Ihr Haar hing schlaff herab.
    Jude lag noch, wo sie ihn verlassen hatte. »Ich habe nachgedacht«, sagte er. »Du hast Recht. Wir müssen einander trauen.« Er schnipste die Finger nach ihrem Pad, das auf dem Teppich lag. »Schreckliche Lektüre. Es klingt, als hätte Guskow die Schwelle zum Wahnsinn schon mehr als halb überschritten. Nun ergeben sie Sinn, die vielen verschiedenen Bröckchen, die ich über ihn herausgefunden habe, aber nie zusammenfügen konnte. Es leuchtet sogar ein, wieso er unter dem Schutz sowohl der Regierung als auch der Mafia steht. Er muss der am besten geschützte Mann auf dem ganzen Planeten sein.«
    »Nur weil er so viele Leute mit halben Wahrheiten dazu gebracht hat zu glauben, sie wären besser dran, wenn sie ihm helfen«, entgegnete sie. Doch Jude hatte Recht. An Guskow kamen sie nicht heran.
    Jude bewegte sich nicht. »Diese Sache … du weißt schon, wegen der Verteilung, die allem anderen hinterherhinkt … weil Guskow keine Kapazität zur Produktion von NervePath hat und keinen globalen Schlag landen kann …?«
    »Hmmm.« Sie blickte mit einigem Entsetzen auf ihre Bluse und ihre Unterwäsche.
    »Steht ihm deines Wissens irgendwo Micromedica-Kapazität zur Verfügung?«
    »Nein«, antwortete Natalie und blieb in die Handtücher gewickelt. »Die Produktion steht unter Regierungsaufsicht und wird nur in bestimmten Anlagen durchgeführt. Wenn es noch keinen Schwarzmarkt dafür gibt. Hast du Beweise, dass Naniten unter falschen Papieren außer Landes gehen?«
    »Aber ich wette, dass es da draußen eine Menge gentechnische Kapazitäten gibt.« Fast sprach er nur zu sich selbst. »Allein in diesem Land gibt es vier oder fünf Labors, die nur ungenehmigte Projekte durchführen – für den schwarzen Markt –, die meisten unter dem Schutz des organisierten Verbrechens. In anderen Teilen der Welt, wo die Kontrollen nicht so streng sind, wäre das noch einfacher.«
    »Gentechnisch?« Sie blickte ihn an und setzte sich müde auf die Bettkante; zwischen den Zehen drückte sie den hässlichen Teppich. »Ja. Es muss etliche geben. Deshalb regt man sich ja ständig über maßgeschneiderte Seuchen auf …«
    »Maßgeschneiderte Viren und Bakterien«, sagte er. »Veranlassten die Regierung, sehr spät ein Anti-Terror-Programm zu starten, das in den CDC untergebracht ist und Michail Guskow als Berater beschäftigt, weil er hervorragende Kontakte zu führenden russischen Wissenschaftlern und den chinesischen Labors hat, die für ihre gute Arbeit bekannt sind – in ein paar Tagen soll es in Dugway getestet werden.«
    »Aber das ist eine Operation auf biologischer Grundlage«, sagte sie und sah an seinem Gesicht,

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