Mappa Mundi
Jude. Sie sprachen über den Fall, den White Horse untersucht und für den er Paul um seine Zeugenaussage gebeten hatte. »Ich habe genug, um eine Anhörung zu erreichen. Das Programm, das benutzt wurde, und einen Satz NervePath.« Er ertappte sich, wie er sich unbewusst am Kopf berührte. »Ich kann die Wirkung demonstrieren. Trotzdem brauche ich Zeugen, die entweder beobachtet haben, wie diese Fremden den Scanner in der Hand hielten, oder ihn vor Martha Johnsons Laden in ihrem Wagen gesehen haben. Ich brauche Verbindungen.«
»Okay«, sagte Paul und stand auf, um mehr Eis zu holen. Er war nun neunundsechzig und bewegte sich unter seinem Gewicht nur noch steif; er brauchte eine Weile. Sein Haar hatte noch dunkle Stellen in der Weiße, doch sein Gesicht verriet jedes einzelne Jahr. »Wenn du die anderen heute Abend fragst, überlegen sie es sich vielleicht anders.«
»Vielleicht.« Und Jude musste die Fremden im Auto identifizieren. Er hatte Beschreibungen, aber keine sehr guten. Er konzentrierte sich auf diese Fragen. In einer Stunde begann die Trauerfeier.
Paul hatte den Wagen nicht gesehen, aber als er zu seinem Wocheneinkauf in den Ort fuhr, war er einem der Fremden begegnet. Er konnte den Mann identifizieren. Was die Erdnussbutter anging, so wurde sie über den Laden an jeden verteilt, der sich mit einer Wohlfahrtskarte ausweisen konnte und in eine Entnahmeliste eintrug. Jude hatte Proben der kontaminierten Charge gesammelt, indem er am Morgen mit der Namensliste herumgefahren war. Warum er sie sammelte, hatte er nie genau gesagt, und niemand hatte andererseits auf eine Auskunft gedrängt. Ihre Ablehnung seiner Arbeit für das FBI hatte sich mit ihrer Trauer um White Horse vermengt, und die Mischung hatte sie steinern mitfühlend gemacht. Die neueren Büchsen, die im Lagerraum des Ladens auf der South Main Street standen, waren ausnahmslos sauber gewesen. So viel dazu. Leider lagen Martha und ihr Ehemann, der vielleicht hätte bezeugen können, dass die Konserven erst kontaminiert worden waren, als sie schon im Laden standen und nicht vorher, schon auf dem Begräbnisplatz am Südrand des Tales.
»Du steht dabei nicht allein?«, fragte Paul.
»Mach dir deswegen keine Gedanken.« Jude gingen die Mistkerle nicht aus dem Kopf, die gedacht hatten, White Horse würde die Dreckarbeit für sie erledigen. Nun konnten sie ihre Gegenleistung erbringen. Er plante, sein Wissen an einen ihrer Anwälte weiterzugeben, und dann sollten sie aus der Deckung kommen und ausnahmsweise mal auf sich selber schießen lassen. Vorher jedoch brauchte er mehr Informationen.
Im Nebenzimmer schien das gezwungene Verhältnis zwischen seiner wohlhabenden weißen Mutter aus der Mittelschicht – die Liaison einer Sommernacht – und Magpies verbleibender Cheyenne-Familie in Schweigen zu verharren.
Jude stand auf und ging zu ihnen.
Squirrel, seine jüngste Cousine und eine von White Horses engsten Freundinnen, saß der Tür am nächsten. Sie rückte für ihn auf dem Sofa beiseite, und er setzte sich. Es knirschte, als er sich an der Kante festzuhalten versuchte.
»Wir haben gehört, sie sei ertrunken«, flüsterte Squirrel. Jude nickte.
»Betrunken ertrunken?«, wollte Jenny Black Eagle mit harter, unbarmherziger Stimme wissen.
»Ja.«
Die Atmosphäre in dem kleinen Zimmer sprühte vor Zorn, Anspannung und Wut.
»Mord?«, fragte Squirrel. Sie blickte ihn an, und ihre modische Frisur mit dem langen Pony fiel ihr über die Augen. Jude schloss die Augen und nickte. Jemand schnaubte verächtlich.
»Wegen des Falls«, sagte Rob, der Sohn von Red Hat, mit seiner sanften, stets ruhigen Stimme. »Sie muss zu viel aufgedeckt haben.«
»Ich bin der Sache auf der Spur«, sagte Jude. Er starrte auf seine Hände, dann begegnete er ihren finsteren, grimmigen Blicken. »Ich arbeite daran.« Er sah seine Mutter an, die sich in den Rohrsessel zurückgelehnt hatte, ein stoisch schlichter Schatten in ihrem schwarzen Kostüm; ihr Gesicht wirkte in diesem Raum voller bunter Farben und dunkleren Hauttönen sehr blass. Ihr kastanienbraun gefärbtes Haar war zu einem Knoten gebunden, und der Hut auf ihrem Schoß erschien ähnlich nüchtern. Nur mit den Augen lächelte sie Jude an.
»Dann stirbst du auch.« Unerwartet nahm Squirrel eine seiner Hände und umschloss sie mit ihren schmalen Fingern. »Es geht nicht um die Bodenschätze?«
»Nein«, sagte er rasch. »Damit hat es gar nichts zu tun.«
»Womit dann?«, fragte Jenny.
Jude war sich gar nicht
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