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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Voraussagen treffen konnte. Ians Meinung nach war das einiges wert … wenigstens einen Nobelpreis und einen Platz in den Geschichtsbüchern. Als er zum ersten Mal begriffen hatte, wozu er fähig war – Materie und sich selbst zu durchdringen –, da hatte er geglaubt, dass ihm so etwas vielleicht gefallen könnte. Nun war dergleichen so unbedeutend geworden … Er lachte.
    »Haben Sie Zahlen?« Goldfarb schrieb hastig mit.
    »Eigentlich nicht«, gab Ian zu. »Ich bin nicht gut im Rechnen. Ich … erfahre es bloß am eigenen Leib.«
    »Und ist es richtig, dass der Beobachter tatsächlich eine Veränderung der Partikel bewirkt, als hätten sie ein Bewusstsein?«, fragte Kropotkin zögernd.
    »Bewusstsein ist ein makroskopisches Phänomen«, antwortete Ian, »deshalb ist es auch so schwierig, es zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen. Makrostrukturen: Sobald Sie sie einmal aufgelöst haben, unterliegt ihre Komplexität der Thermodynamik, und deshalb bekommt man sie nie wieder genauso zusammen wie vorher. Irgendwas verliert man immer. Vor allem, je länger man …«
    »Untertaucht?«, schlug Natalie vor.
    Ian nickte, und seine Miene war plötzlich sehr bedrückt. »Ja. Die Stellen, an denen man seine Informationen aufbewahrt, stehen die ganze Zeit mit dem Rest des Universums in Wechselwirkung. Verlässt man sie zu lange, ertrinkt man – ja, so kann man’s wohl ausdrücken. Die kleinen Kerle vergessen einfach, womit sie beschäftigt waren.« Er grinste sie matt an, denn er fühlte sich nicht besonders gut. Tatsächlich kostete es ihn viel Konzentration, seine Gestalt aufrechtzuerhalten, so wie es einen anstrengt, die ganze Zeit auf einen bestimmten Punkt zu blicken. Wenn er Teile zu verlieren begann, wurde ihm übel, und er hatte Angst. Dann sehnte er sich danach, unterzutauchen und im endlos sich verändernden, bewegten Wirbel zu treiben, wo er sicher war und vergessen durfte.
    »Mister Detteridge«, sagte Guskow. »Würden Sie uns das demonstrieren?«
    Ian sah ihn an. Detteridge. Ja, auch das hatte er vergessen. Er nickte resigniert. An so etwas hatte er nicht gedacht – sich zu benehmen wie ein dressierter Seehund. Er wollte die große Abrechnung zum Schluss, wo er sagen konnte, was er zu sagen hatte, und die beteiligten Wissenschaftler mit ihren ach so weißen Westen die Köpfe einzogen und bedauerten, was sie ihm angetan hatten … Eigentlich eine dumme Kinderfantasie. Er schämte sich dafür. Die Sache mit Dan Connors Leiche aber bedauerte er kein bisschen. Das hatte sich dieses Miststück selbst zuzuschreiben.
    Als er nun Michail Guskow ins Gesicht blickte, erkannte er eine Person, die ihm sehr fremd gewesen wäre, als er noch Ian war. Dieser Mann hatte die Wirklichkeit und andere Menschen stets auf Armeslänge Abstand gehalten. In dieser Hinsicht glich er beinahe Goldfarb, doch seine Distanz war mehr intellektueller Natur als die Auswirkung eines anders verdrahteten Gehirns. Er hatte gelernt, dass die Menschen berechenbar sind und emotionale Knöpfe haben, mit deren Hilfe man, wenn man sie zu drücken weiß, ein auf Dauer verlässliches Verhalten auslösen kann. Das hatte Guskow an sich selbst gesehen und darauf hingearbeitet, unverwundbar gegenüber solchen Einmischungen zu werden, indem er an keinem Traum zu sehr festhielt und keinen Wert als zu wichtig ansah. Gleichzeitig hatte er die Manipulation anderer zu einer Kunstform entwickelt.
    »Sie wissen einfach nicht, wann Sie verloren haben, Kollege«, sagte Ian zu ihm, so leise, dass nur Guskow und Natalie es hören konnten.
    Guskow blickte sie direkt an, um zu sehen, wie sie reagierte. Sie stimmte zu.
    »Genau das habe ich vorher schon sagen wollen. Irgendeine Welt-Karte muss man haben, zu jedem einzelnen Zeitpunkt. Die objektive Sicht gibt es nicht, von nirgendwo her. Und die Karte wird immer eine Näherung sein. Selbst wenn man einmal goldrichtig liegt, kann man sich nie sicher sein …« Sie blickte Ian an, und er nickte, weil die Ungewissheit des Universums immer während auf jeder Ebene galt. Sie richtete ihr schiefes Lächeln wieder auf Guskow, hoffte, dass er beipflichtete, und wusste doch, dass er es nicht tat, weil er nicht konnte.
    »Sie können alle Ideen auf der Welt ändern und alle Gefühle, aber Sie kommen niemals über die Grenzen Ihrer Sicht hinweg. Wenn doch, enden Sie wie mein Meditations-Mann – die Lampen sind zwar alle an, aber niemand ist zu Hause. Sie können sich niemals von der Interpretation lösen, und Sie tappen jedes Mal im

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