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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Dann fand ich zu Kommunismus, Sozialismus und Demokratie und musste feststellen, dass nicht das übernatürliche Element diese Seuche von Memen erzeugt, welche die Menschen voneinander trennen und ihnen unterschiedlichen Wert zumessen, sondern unsere Gewohnheit, uns in Kasten und Stämme aufzugliedern, in die Eigengruppe und die Fremdgruppe.
    Ich dachte, dass mein Programm keiner Person je gestatten dürfte, sich anderen überlegen zu fühlen. Es sollte uns im Zweifelsfall nicht gegen den anderen, sondern zu seinen Gunsten entscheiden lassen, sollte uns Großzügigkeit und Güte schenken und die Tugenden des Miteinander stärker machen.«
    Er nahm noch einen Schluck Saft und runzelte bei dem intensiven Geschmack die Stirn. »Sellerie.« Er sprach das Wort bedachtsam aus, und sein Akzent war deutlicher zu hören. »Ein abscheuliches Aroma, wenn es zu stark ist. Jedenfalls, nach dem Gefängnis betrachtete ich meine Mitmenschen längst nicht mehr so blauäugig.
    Ich begriff allmählich, dass wir immer in der Welt leben, die wir uns einbilden. Dadurch entfernen wir uns von dem Wissen, dass wir Tiere mit Instinkten sind, die sich in Jahrmillionen der Evolution entwickelt haben. Ob wir diese Instinkte nun als gefährlicher denn nützlich wahrnehmen oder nicht, wir werden sie dadurch nicht los. Wir haben intellektuelle Abwehrverfahren entwickeln müssen, um uns vor ihrer gefährlichen Seite zu schützen. Darum sind wir Träumer und Realisten. Wir haben Hoffnungen. Wir sehen gern, wie das Gute siegt, damit wir das Gefühl haben, alles, was wir getan haben, sei gerechtfertigt gewesen.«
    Natalie nickte. »Ja. Und wem außer den Physikern nutzt das perfekte Verständnis der physischen Welt? Mit Träumen kommen wir besser weg. Menschen, die ihre Instinkte in Familien und gesellschaftlichen Gruppen ausleben, brauchen Träume und Ideale, damit sie sich nicht gegenseitig an die Kehle fahren. Aber Sie wollen die Menschen nicht zwingen, diese Träume zu leben?«
    »Was, und Papst der ganzen Welt sein? Niemals!« Guskow lachte glucksend und strich sich den Bart glatt. »Die Entwicklung unseres Bewusstseins war ein notwendiger Schritt der Evolution, der es dem Einzelnen erlaubte, sich als selbstständiges Wesen zu erleben, als freier Mensch. Erst das hat ihm ermöglicht, die Welt zu ändern, anstatt sich als Teil von ihr zu sehen. Mappa Mundi ist die letzte in einer langen Reihe von Veränderungen und führt uns in eine Zukunft, in der wir unsere Macht und unsere Grenzen begriffen haben, anstatt uns blind durchzuwursteln.«
    »Also haben Sie nicht vor, das Selbstbewusstsein zu eliminieren. Was dann?« Sie war gespannt zu erfahren, ob er in der Tat einen Geniestreich im Sinne hatte, der sich als förderlich erwies, oder ob er die Werkzeuge für seine selbst gestellte Aufgabe schneller entwickelt hatte als ihr Ziel.
    Guskow stellte die Dose auf den Tisch, breitete die Hände aus und betrachtete ihre harten, narbigen Rücken und die Haut, die ihre ursprüngliche Farbe noch hatte oder auch nicht – er konnte sich nicht erinnern.
    »Jeden Zweck, an den ich gedacht oder den ich abgelehnt habe, denn nach der Memetischen Analysis erzeugen letztendlich alle Veränderungen am Cube kurzfristige Verschiebungen der Perspektive und der Wahrnehmung, die dann im Laufe der Zeit immer wieder in den Ausgangszustand zurückfallen. Ein Individuum kann davon vielleicht sehr profitieren, aber auf große Menschenmengen oder gar mehrere Generationen bezogen, erbringt die Rechnung stets das Gleichgewicht des Ausgangszustandes als Endergebnis. Denn jede, gleich welche Änderung, die ich erprobt habe – keine hat irgendwelche Langzeitwirkungen. Der Cube ist sehr robust. Er heilt sich selbst. Verlorene Meme regeneriert er.«
    »Verdammt«, sagte sich Natalie in ihrem falschen schottischen Dialekt, als wäre Dan bei ihr, »wer sin’ alle verdammt.« Sie kicherte und stieß einen langen Seufzer aus. »Und das nach dem ganzen Ärger.«
    Guskow rutschte auf seinem Stuhl herum und wandte sich ihr zu. »Ich hatte gehofft, dass Ihnen vielleicht ein Ausweg einfällt.«
    »Wieso mir?« Sie hatte gerade in den Käse gebissen und hätte sich beinahe verschluckt.
    »Weil Sie nun weit draußen am Rand des Cube stehen. Ihre Wahrnehmung schenkt Ihnen den Zugriff auf Informationen, die wir noch nie besaßen. Das bedeutet aber, dass Ihr persönlicher Memecube sich bereits zu wandeln beginnt. Bobby X reagierte auf seine Weise darauf – er konnte keine Zukunft finden, weil er

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