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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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hätte er nichts mit der Klinik zu tun und könnte sie jederzeit verlassen, ohne noch einmal daran zurückzudenken – was den Tatsachen entsprach. Er konnte es wirklich. Sie hingegen hatte Pflichten … aber für einen Abend hatte sie lang genug die Märtyrerin gespielt.
    Sie sah ihn finster an. »Was ist das für ein Gestank?«
    »Joe hat es mitgebracht. Kubanischer irgendwas. Bringt aber nichts. Für dich sowieso ein bisschen spät. Im Moment ist draußen der Teufel los, was? Ich schätze, es liegt am Wetter. Die Leute sind dann so. Wenn’s die ganze Zeit nur regnet. Die brauchen alle nur was Anständiges zu rauchen.« Er schien zu bemerken, dass sie ihm nicht antwortete, und wies mit der Nase auf die Papiere und die Elektronik, von der sie umgeben war. »Du kannst wohl nie aufhören mit der Arbeit, was?«
    »Macht mir Spaß.« Sie schrubbte mit den Füßen über den Teppich und nickte mit einem Blick zur Tür, der fragte, wann Joe aufbrechen würde.
    »Ja, so siehst du aus. Hast du deine Schuhe wieder unten gelassen? Joe ist schon im Gehen. Ich bring sie dir mit.« Als er sich zurückzog, hinterließ er einen Geruch nach Räucherstäbchen und Mohnrauch, der in der abgestandenen Luft ihres Zimmers brodelte und dann verschwand.
    »Ihr billiger Zaubertrick beeindruckt mich nicht im Mindesten, Doktor Connor«, sagte sie mit zusammengekniffenen Augen; dann seufzte sie und blickte um sich. Selbst die Schurken aus einem Laienspiel lebten besser.
    Die Tapete schälte sich von der Wand, seit zwei Jahren schon. Rechts auf dem Boden lag die schmutzige Kleidung, die schon einmal getragene in der Mitte. Gewaschen und getrocknet, aber noch nicht gebügelt: links. Gewaschene und getrocknete Kleidung, die im Leben keine Chance hatte, je gebügelt zu werden, hing über den Bettpfosten und erinnerte an zwei tote Engel, denen die Haut abfiel. Die Räucherstäbchen überdeckten den schwachen Schimmelgeruch, der von den Schiebefenstern kam, und brachten Natalie zum Niesen.
    Sie stand auf, um nachzusehen, ob Slow schon gegangen war, und erhaschte einen Blick auf eine nackte Hinterbacke, die sich gerade in eine Hose zwängte, welche aus einem Material bestand, das im Dunkeln blau leuchtete. Slow besaß für jede Art von Aufmerksamkeit einen sechsten Sinn, drehte sich um und maß höhnisch den grauen Rock, den sie zur Arbeit getragen hatte.
    »Die Mode ift wohl wieder an dir vorbeigegangen, waf?«, fragte er, verdarb jedoch die Wirkung seiner Unverschämtheit, indem er hopsend die Schuhe anzog. Er wirbelte vor Natalie herum, und als er damit fertig war, musste er sich eilig mit der Hand auf der Tischplatte abstützen, um nicht hinzufallen. Eine Wolke aus Kölnischwasser, Alkohol und frischem Schweiß umgab ihn. Ein nervöses Kichern drang ihm über die Lippen und wurde unterdrückt. Er blickte sie an, um zu sehen, ob sie es bemerkt hatte.
    »Dich hat sie wohl beifeite gefubft, al’fie auf dem Rückfeg far«, entgegnete sie, ohne sich verkneifen zu können, sein Lispeln nachzuäffen. »Wo hast du nur das Hemd her? Es sieht aus, als wär’s aus Käse.«
    »Leck miff.« Er nahm seinen Mantel vom dunklen Sofa und zeigte ihr den Finger.
    Sie erwiderte die Geste, ohne wirklich darauf zu achten. »Auftritte in Aussicht?«
    »Lebenfinhalt in Aufficht?«, schoss er über die Schulter zurück, während er im Halbdunkel herumtastete, etwas auflas und sich in die Tasche stopfte.
    Natalie beobachtete ihn und versuchte zu erkennen, welches Orgienzubehör er mitgebracht hatte oder ob er klaute, aber es war zu schwierig, und außerdem hätte sie nicht sagen können, was von ihrem oder Dans Besitz einen Diebstahl wert gewesen wäre. Um eine schlagfertige Antwort auf seinen letzten Seitenhieb zu geben, fehlte ihr die Energie. Stattdessen kaute sie schweigend ihren Reis und folgte jeder seiner Bewegungen, bis er zur Tür ging. Seine Hose verlieh ihm den Hüftschwung eines Reiseweckers. Es sah aus, als täte sie ihm weh, und darüber freute sich Natalie. Sie schaltete das Licht und den Fernseher an und setzte sich mit nur einer Spur von Abscheu in den warmen Krater, der ihr Sofa war.
    Wie schön, zu Hause zu sein.
    Sie fühlte sich noch wohler, als Dan zurückkam und ihr die Schuhe brachte, die er aus der Pfütze vor der Tür gerettet hatte. Er stellte sie zum Trocknen unter den Heizkörper und setzte sich neben sie. Beide starrten auf den Großbildschirm, der eine amerikanische Polizeiserie um ein Team ausgebildeter Hunde zeigte. Dan mochte die

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