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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Sendung: Sie erinnere ihn an Wolfsblut, sei jedoch weniger gefühlsduselig.
    »Ein Kerl hat für dich angerufen«, sagte er nach einer Weile.
    Ihr sank das Herz; sie kannte niemanden. »Wer?«
    »Weiß ich nicht. So ’n Ami.«
    »Scheiße. Wann?« Wenn sie auf etwas verzichten konnte, dann auf einen Verrückten, der auf sie fixiert war. »Was hast du gesagt?« Sie stellte den Reis weg und sah sich nach der Fernbedienung um. Dan saß darauf.
    »Ist er dir wichtig?«, fragte Dan gespielt gleichgültig.
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    Dan drehte den Kopf und blickte sie von oben an. »Da haben wir also einen netten Schatz, hm? Machen es uns im Hilton gemütlich, sagen aber, wir schieben freiwillig Dienst am Sorgentelefon. Was für eine selbstgerechte Tarngeschichte.«
    »Wenn es so wäre, warum sollte er dann hier anrufen?« Natalie beugte sich über ihn und wollte nach der Fernbedienung greifen, doch er packte sie zuerst und hielt sie aus ihrer Reichweite. »Dan!«
    »Wenn du mir verrätst …«, begann er.
    »Er hat das Sorgentelefon angerufen!«, fauchte sie. »Heute Abend. Er hat mich da angerufen, und er kannte meinen Namen. Ich will nicht, dass ein Verrückter etwas über mich weiß!«
    Dans spöttisches Grinsen verblasste, und er überließ ihr die Fernbedienung.
    Natalie schaltete auf den Antwortdienst. Es war der gleiche Mann. Kein Bild, nur seine Stimme. Sie erklang über den schweigenden Bildern langsam dahintrottender Huskys auf Streife.
    »Doktor Armstrong? Ich muss Sie dringend sprechen. Bitte rufen Sie mich zurück. Hier ist die Nummer, falls Sie die Nachricht nicht bekommen haben, die ich Ihnen in der Klinik hinterlassen habe. Ich bin im Hotel.«
    »Glaubst du, das ist ein Bekloppter?«, fragte Dan und hob mit den Zehen eine Socke vom Teppich. »Für mich klingt er ganz normal. Er könnte deine Nummer von der Klinikliste haben.«
    »Aber nicht meine Privatnummer«, entgegnete sie. »Und anfangs klingen sie alle normal. Die meisten jedenfalls. Na, wie viel würdest du darauf setzen? Er behauptet, dass er FBI-Agent ist, aber er ist in England. Er sagt, dass er mich sprechen muss, aber nicht, warum. Er weist sich durch nichts aus. Und sein Name, um Himmels willen, ist Jude Westhorpe. Sagt er.«
    »Jetzt, wo du’s erwähnst, klingt es mir auch ziemlich weit hergeholt.« Dan strich sich mit Daumen und Zeigefinger seinen nichtexistenten Spitzbart und kniff die Augen zusammen. Sein schwerer Pony sank herab wie der Feuervorhang im Theater und ließ ihn wie einen alten Bobtail aussehen. »Zehn Mäuse, dass er echt ist.«
    »Die Wette gilt.« Sie aß den letzten Reis und warf die Schachtel auf den Tisch.
    Dunkel und ruhig, wie es war, roch das Wohnzimmer schrecklich: nach Rauch und Schweiß, Sex und altem Staub. Die Fernsehhunde jagten durch eine Gasse und setzten über einen zwei Meter hohen Drahtzaun. Als Dan den Ton wieder zuschaltete, untermalte Rockmusik ihren Sprung. Natalie stand auf, öffnete das Fenster und ließ kühlen Wind herein. Über die Balkons am Haus gegenüber blickte sie in die Nacht und fragte sich, wohin das Leben sie trieb. Sechs Monate lang hatte sie nichts Wichtiges mehr getan. Sie fieberte der Besprechung mit dem Beauftragten des Ministeriums entgegen. Wenn dieses Gespräch schief ging, wusste Natalie nicht, was sie tun sollte. Der Gedanke, woanders hinzuziehen, behagte ihr nicht. Nicht, solange Dan zurückblieb. Was würde ohne sie aus ihm werden?
    Unter ihrem vom Tür-Karate wunden Fuß spürte sie irgendetwas, das sie nicht identifizieren konnte; es war feucht und ein wenig schleimig. Eigenartigerweise war es die sinnlichste und attraktivste Erfahrung seit Wochen, an die sie sich erinnern konnte.
    »Ich geh jetzt ins Bett.«
    Dan schnaubte: »Was? Dann hab ich Joe für den Anruf eines Verrückten und zwei Minuten geisttötende Unterhaltung rausgeschmissen? Gott, da macht ja die Arbeit mehr Spaß!«
    »Stimmt«, entgegnete sie und war schon mehr als halb am Schlafen, als ihr Kopf aufs Kissen sank. Während sie der wachenden Welt entglitt, kam ihr der Gedanke, dass Halbschlaf der Zustand sei, in dem sie in letzter Zeit hauptsächlich gelebt habe. Das Wachsein würde sie nicht einmal erkennen, wenn es sie ins Fußgelenk biss. Wäre sie wach gewesen, hätte sie gleich bemerkt, dass Dan sie jetzt brauchte, und eigentlich lag ihr solche Kaltschnäuzigkeit fern. Sie versuchte aufzustehen, um sich zu entschuldigen, aber es war schon zu spät. Ihr Verstand zog sich von ihr zurück und

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