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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Sie warf einen Blick auf das Display. Die Nachricht stammte vom Empfang und lautete: Jemand hier wegen Aufrüstung Behandlungsräume. Fragt nach Ihnen.
    Natalie stand kurz davor, das Handtuch zu werfen. Woher sollte sie jetzt die Zeit nehmen, jemanden in den Hochsicherheitstrakt einzuschleusen, die Sektion der Bio-Sicherheitsstufe 4 – mit Duschen und Schutzanzügen und dem ganzen Pipapo? Das war Dans Job. Wo steckte der Kerl nur? Eigentlich hätte er längst mit den Sandwiches auf sie warten müssen – er war seit fünfzig Minuten fort. Mittlerweile war es kurz nach zwei, und sie hatte den ganzen Nachmittag Besprechung.
    Sie nahm noch einen Schluck Limo, warf auf dem Weg zum Empfang die halb volle Dose in einen Papierkorb und kämpfte gegen das Verlangen an, demjenigen, der auf sie wartete, eine Standpauke zu halten. Sie hatte zwar nicht gehört, dass die Behandlungsräume in irgendeiner Weise aufgerüstet werden sollten, aber in dieser Woche war das wohl nicht weiter überraschend. Als sie den Empfangsschalter erreichte, überlegte sie es sich allerdings anders.
    Der Systemingenieur von NervePath sah blendend aus. Er war nicht nur stattlich oder auf interessante Weise attraktiv, sondern sprach ihre urtümlichsten Gefühle an, beschleunigte ihren Puls, traf sie ins Herz und in die Magengrube.
    Natalie verlangsamte ihren Schritt, damit die Röte ihres Gesichts beim Näherkommen verschwand und sie Zeit hatte, den Mann genauer zu betrachten. Sie fragte sich, ob sie den Vortragsteil der Besprechung vielleicht schwänzen und erst zur Diskussion eintreffen könnte. Damit hätte sie eine Stunde Zeit gewonnen. Doch sie wusste, dass so etwas bei einem so komplizierten Projekt wie Mappa Mundi nicht möglich war. Trotzdem wünschte sie es sich.
    Der Systemingenieur sprach gerade mit Oberschwester Edie Charlton. Er hatte Charlton so sehr in seinen Bann geschlagen, dass sie Natalie gar nicht bemerkte, bis ihr klar wurde, dass der Mann über ihre Schulter jemand anderen anblickte. Edie stellte sie rasch einander vor. Natalie fiel auf, dass sein weicher, interessierter Blick plötzlich scharf wurde, als er ihren Namen hörte. Sie war jedoch zu sehr damit beschäftigt, ihn zu betrachten, um sich darüber zu wundern.
    Bis zu diesem Moment hatte sie nie einen bestimmten Typ Mann bevorzugt und nicht einmal danach Ausschau gehalten. Männer waren für Natalie schwierige Wesen, Menschen mit anderem Äußeren, die sie kaum als sexuelle Geschöpfe wahrnahm. Natalie hatte ihre Arbeit, wie Slow Joe sagte, aber keinen Lebensinhalt. Vielleicht erwachten jetzt, nachdem ihr die Chance auf eigenständige, unabhängige Forschung schon wieder durch die Finger geronnen war, endlich die vernachlässigten Teile ihres Gehirns. Wie auch immer, sie fühlte sich plötzlich befangen und zugleich voll verzweifelter Hoffnung. Außerdem wurde ihr bewusst, wie asexuell sie aussah in ihrem grauen Kostüm unter dem weißen Labormantel und ohne Lippenstift, und am ganzen Körper wollte ihr der Schweiß ausbrechen, als sie versuchte, die Kühle zu spielen.
    »Ich wusste nicht, dass eine Aufrüstung ansteht«, sagte sie und dachte: Bleib ganz geschäftsmäßig, du hast sowieso keine Chance.
    »Nur eine Fehlerkorrektur«, entgegnete der Ingenieur gleichmütig. Er hatte einen dieser transatlantischen Akzente irgendwo zwischen Britischem und Amerikanischem Englisch. Sein Namensschild identifizierte ihn ihrem PocketPad als Jason Hilbert, PathSystems-Angestellter Nr. 14.781, Ingenieurseinstufung 04, Inhaber einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Verteidigungsministeriums.
    »Kein Eintrag«, murmelte Oberschwester Charlton, obwohl sie sich wegen dieser winzigen Einzelheit keine weiteren Gedanken zu machen schien. Sie hörte auf, Hilbert anzulächeln, und tauschte einen Blick mit Natalie; das visuelle Gegenstück zu einem anerkennenden Pfiff.
    »Ich muss mich mit Ihrer Firma in Verbindung setzen, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte Natalie mit unbewegtem Gesicht. »Wir haben Sie nicht im Computer.«
    »Bitte.« Er nickte, und sein weiter, blauer BSL-4-Überzieher raschelte, während er lächelnd den Koffer abstellte – ein breites Lächeln mit weißen Zähnen, das Natalie für ein, zwei Sekunden ein wenig nervös vorkam. Doch als Hilbert lächelte, sah er sogar noch besser aus. Er wirkte gefährlich.
    Was bist du für eine Idiotin, dachte Natalie. Lass das bleiben!
    »Sind Sie neu bei der Firma?«, fragte sie. Etwas an ihm erschien ihr vertraut. Doch wenn sie ihn

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