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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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diese Menschen zeigten in der gleichen Woche eigenartige, nicht diagnostizierte Geisteskrankheiten. Ihre Aussagen oder ihre Todesumstände sind von den Beamten des örtlichen Polizeipostens im Detail niedergelegt worden, doch dann wurden ihre Akten von einem anderen FBI-Trupp beschlagnahmt, der mit der Untersuchung beauftragt war. Acht Morde, vier Mordversuche, eine Vergewaltigung, drei Einbrüche, einundzwanzig Körperverletzungen und wenigstens fünfzehn andere Straftaten einschließlich Tierquälerei, Sachbeschädigung und Anstiftung zum Aufruhr, aber keine einzige Anklageerhebung. Sämtliche Tatverdächtigen wurden festgenommen und werden seit Donnerstag vor zwei Wochen ohne Haftbefehl festgehalten, und zwar aufgrund der Bestimmungen zum Schutz der seelischen Gesundheit. Jeder dieser Leute war völlig normal, bis sie diesen mysteriösen Besuch erhielten. Seit ihrer Verhaftung ist es bei anderen Leuten im Ort nicht wieder zu solchen Gewalttaten mit anschließender Desorientierung gekommen. Ein Betroffener war ein Reisender aus einem anderen Bundesstaat. Er wurde am letzten Dienstag in Wisconsin wegen Störung der Totenruhe festgenommen und auf unbestimmte Zeit unter staatliche Aufsicht gestellt. Vorher zeigte er niemals Symptome irgendeiner Art von Geistesstörung oder stressbedingten Aussetzern.«
    Jude suchte wieder Dr. Armstrongs Blick; ihre graugrünen Augen ruhten mit beunruhigender Präzision auf ihm. »Ich habe ihn besucht«, sagte er und achtete darauf, ihrem Blick standzuhalten. »Im Krankenhaus. Er konnte mir nicht einmal seinen eigenen Namen nennen, und die Ärzte waren zu keiner Diagnose imstande. Seine Symptome passen zu nichts, das ihnen jemals begegnet wäre. Ich kann Ihnen den Bericht geben. Sie sagen, der Mann sei so völlig durcheinander, als hätte man ihm einen Löffel in den Kopf gesteckt und umgerührt.«
    Er konnte sich noch an keine Frau erinnern, die so verlockend aussah und deren Miene so schwer zu durchschauen war. Selbst jetzt, wo ihm nur noch Sekunden blieben, um Armstrong zu überzeugen, ertappte er sich bei dem Wunsch, ihr unter anderen Umständen begegnet zu sein und sie näher kennen lernen zu können.
    »Sie meinen, sein Gehirn ist physisch verändert?«, fragte sie. »Ist das festgestellt worden?«
    »Ja, so steht es im Bericht.« Die fünf Minuten mussten nun verstrichen sein. »Und noch eins, falls es Sie noch immer nicht interessiert.« Umständlich verschob er die Dateien aus seiner Tasche ins Pad und lud sie. Dabei wünschte er sich nichts mehr, als dass sie ihm sagte, die Dateien seien irrelevant. Er wollte sehen, wie ihr Gesichtsausdruck sich änderte, wenn sie den Inhalt der Dateien sichtete, obwohl er nicht die leiseste Ahnung hatte, was sie dachte.
    »Hier. Meine Schwester hat sie den Agenten gestohlen, die angeblich nach den Unruhestiftern suchten. Ich dachte – das heißt, ein Kollege in Washington sagte mir, Sie würden wissen, was das ist.«
    Als die Dateien erschienen, nahm Armstrong ihm das Pad aus den Händen und starrte es an. Nun wirkten beide Hälften ihres Gesichts wie aus Stein. Nur ihre Blicke huschten hin und her, während sie eine Zeile des Quelltextes nach der anderen las, mit dem er nichts hatte anfangen können.
    Nach einigen Sekunden fragte sie: »Was für ein Kollege in Washington?« Ihre Stimme klang kühl und direkt, als gehörte sie einem General, der den Sturm auf eine gefährliche Stellung befahl.
    Die Türschlösser piepten, um zu zeigen, dass alles bereit war. Armstrong rührte sich nicht, sondern blätterte in kleinen Abschnitten durch die Datei.
    »Das darf ich Ihnen nicht sagen.« Schon vor seinem Flug nach England hatte Jude sich den Kopf zerbrochen, was er auf diese Frage antworten sollte, denn dass Armstrong sie stellen würde, war ihm klar gewesen. Schließlich war er zu dem Schluss gelangt, dass es im ärgsten Fall – wenn die Dateien sich als so schlimm erwiesen wie er befürchtete –, am günstigsten wäre, wenn sie so wenig wusste wie möglich, denn was sie nicht wusste, konnte sie nicht verraten.
    »Und warum kommen Sie damit zu mir, anstatt zu einem NervePath-Experten in Amerika zu gehen?« Sie las noch, während sie fragte, obwohl er nicht bezweifelte, dass sie ihm sehr genau zuhörte: Multitasking.
    »Ich dachte, es könnte vielleicht ein Regierungsprojekt sein. Jeder, an den ich mich drüben wenden kann, könnte daran beteiligt sein. Entweder verraten sie mir dann nicht, was es wirklich bedeutet, oder sie wüssten, dass

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