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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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während sie den Aufprall abfing und dabei nur so weit zurückfederte, dass sie mit der stumpfen Rückseite über die Haut am Kopf des Mannes strich.
    »Das ist … das ist wie im Film«, sagte Jude und schüttelte den Kopf.
    »Ja«, pflichtete Natalie ihm bei und warf wieder die beiden Gehirnabbildungen an die Leinwand. »Sehen Sie diesen Blitz im linken Bild, dort? Das war, als sein Arm sich bewegte. Die Reaktion setzt genau in dem Augenblick ein, in dem der Mann hinter ihm sich zu bewegen beginnt. Es besteht keine Möglichkeit, wie die Sinnesinformation vom einen zum anderen gelangt sein kann.«
    »Und das heißt?« Er wusste nicht, was er davon halten sollte.
    Was er gesehen hatte, konnte er nicht glauben, aber das war in letzter Zeit nichts Ungewöhnliches mehr.
    »Es ist Teil meiner Forschungsarbeit über das menschliche Bewusstsein«, sagte Natalie. »Es hängt mit dem Programm zusammen, das Ihre Schwester gefunden hat, denn ich habe eine Theorie und ein System entwickelt – ein eigenes Programm –, durch das man bei einer gewöhnlichen Testperson vielleicht gezielt die gleiche Art von außergewöhnlicher Wahrnehmung hervorrufen kann. Ein Teil dieses Programms, ein sehr kleiner Teil, befand sich in Ihrer Datei.«
    »Welcher Teil?«
    »Der Teil, der spezifische datenverarbeitende Bereiche miteinander verknüpft. Ich vermute, dass es ungefähr so wirken muss, als hätte man eine Mammutdosis LSD oder so was genommen. Sie würden Synästhesie erfahren, vielleicht aber auch Schlimmeres; wenn ich ehrlich bin, weiß ich es nicht genau. Meine Arbeit verlangt aber nach Genauigkeit. Getestet worden ist noch nichts davon. Andere Teile sind … im Augenblick von Interesse, und zwar für Ihre Regierung.«
    »Das überrascht mich nicht«, schnaubte er. »Können Sie mir zeigen, wozu das Ding als Ganzes imstande ist?«
    »Vielleicht.« Sie schaltete den Projektor ab und ließ ihn zurückfahren.
    »Aha, vielleicht.« Er verschränkte die Arme. »Dann sagen Sie mir Ihren Preis.«
    »Der Preis ist …«, sie unterbrach sich und stellte ihr Pad wieder auf Stand-by, »dass Sie anderen gegenüber weder mich noch irgendetwas von dem erwähnen, was ich Ihnen verraten habe. Ich bin keine Idiotin. Mittlerweile muss irgendjemand wissen, dass wir miteinander gesprochen haben, und den Rest errät man sicher auch bald. Ach Gott«, sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich habe immer damit gerechnet, dass auch unser Projekt seinen Anteil Scheiße abwerfen würde, aber es zeigt doch nur, wie dumm man am Ende dasteht, wenn man sich etwas vormacht. Mit so etwas wie Ihrem Programm hätte ich nie gerechnet, und trotzdem ist es da. Ich weiß nicht, was man damit beweisen wollte, und ich weiß nicht, weshalb man sich die Leute aus der Umgebung Ihrer Schwester ausgesucht hat, aber wie ein Zufall kommt es mir nicht vor, und mit Wahrscheinlichkeitsrechnung kenne ich mich aus.«
    Er fragte sich, wie er sie je hatte für verrückt halten können. Ihre feurige Intelligenz war wieder da, brannte sich aus ihrem Gesicht zu ihm durch, und wenngleich er fröstelte, empfand er auch Wärme.
    »Irgendwo ist etwas ganz und gar schief gelaufen«, sagte sie und senkte die Hände in die Jackentaschen. Er nahm an, dass sie den Aktendeckel und sein rätselhaftes Auftauchen meinte, ihre Schrift darauf; dass es einen Fehler im Universum gab. Das schroffe, weiße grelle Licht im Zimmer ließ sie sehr klein und voller Farbkontrast erscheinen. »Aber in Anbetracht der Chancen dagegen, wer wäre überrascht?« Sie grinste, als sie sah, dass er nicht verstand. »Ich meine, wenn man das Projekt in Zusammenhang mit der Welt sieht, wie wir sie kennen, ist natürlich etwas falsch. Mathematisch hätten Sie den wahrscheinlichsten Augenblick errechnen können, in dem Sie die richtigen Daten erhalten. Menschliches Verhalten lässt sich in eine sehr genaue Modellvorstellung setzen, besonders, wenn man von großen Menschenmengen spricht und nicht von Einzelpersonen.«
    »Ist das ein anderer Teil Ihrer Arbeit?«
    »Nein, das nennt man Murphys Gesetz.« Sie drehte sich um und sah in das Zimmer. »Vergangenheit und Zukunft existieren nur in unseren Köpfen. Das ist nun Teil meiner Arbeit. Die Vergangenheit, die Vorstellungskraft und die Zukunft, das Formen von Identität aus Erfahrungen und Fantasien. Jeder von uns ist ein Unikat und entwickelt sich unaufhörlich längs eines Erzählstrangs, der uns aussucht, so wie wir einst ihn aussuchten, ohne es zu ahnen.«
    »Wie

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