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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Metall des Flugzeugs berühren, das die Bombe auf Hiroschima geworfen hatte. Sie berührte es. Es war warm von so vielen Händen, so ruhig und untätig wie der Apparat in ihrer Tasche, der ihr gegen die Seite schlug.
    An den Schulausflugsgruppen vorbeizukommen war gar nicht leicht. Sie stieß mehr als einen Schüler beiseite, wurde beschimpft, fand ein Treppenhaus und rannte die Stufen hinunter. Sie hörte, wie ein Stockwerk über ihr die Tür geöffnet wurde. Ein Stockwerk unter ihr schloss sich eine andere. Sie lehnte sich übers Geländer, aber sie drückten sich an die Wände. Das Treppenhaus verschwand in Schwärze.
    Hinter ihr erschien eine Frau. Sie war groß und wirkte brutal.
    »Hier ist sie«, sagte die Frau, blieb stehen und blickte White Horse unverwandt an. Ihre Haltung verriet, dass sie bereit war, die Treppen hinunterzuspringen und White Horse zu Boden zu reißen.
    White Horse warf sich herum und sah einen Mann, der von unten zu ihr hinaufrannte, in den Augen die gleiche Absicht: sie aufzuhalten. Sie packte das Geländer und trat nach ihm, kaum dass er in Reichweite kam, eine verrückte Geste, der mehr Trotz als Kraft innewohnte, doch White Horse war in Panik, rannte gegen ihn, stieß ihn zur Seite und warf sich an ihm vorbei.
    Als sie wieder das Foyer des Museums erreichte, durchströmte sie Erleichterung. Dann packte sie jemand von der Seite beim Arm.
    »Nein!« White Horse riss sich los. Sie öffnete den Mund, bereit, das ganze Museum zusammenzuschreien, wenn sie dadurch die nötige Aufmerksamkeit erhielt, doch nur ein alter Mann blickte sie erschrocken an. Als er vor ihr zurückwich, hätte sie sich am liebsten entschuldigt; stattdessen eilte sie an ihm vorbei und schloss sich einer Menschengruppe an, die gerade in eine Weltraumsimulation gefühlt wurde. White Horses Eintrittskarte war auch dafür gültig. Sie drängte sich ans Ende der Sitzreihe vor, als alle Platz nahmen, und hörte sich vom einen Ende des Saals zum anderen im Kentucky-Dialekt in Grund und Boden verflucht.
    Als die Türen gerade geschlossen werden sollten, sprang sie auf und stürzte an dem Wachmann vorbei durch den Ausgang.
    Sie stand auf einer dunklen Rampe, die sie wieder hinauf ins Erdgeschoss führte. Zögernd folgte sie ihr und versuchte selbstsicher zu wirken, während sie sich den Türen näherte. Hatte sie ihre Verfolger wirklich abgehängt?
    Sie schlossen zu ihr auf, als sie die Straße erreichte, ein Knoten aus Körpern, der ihr wie mit einem eingeübten Tanz auf allen Seiten den Weg verstellte, der nach außen hin aber wie eine ganz normale Gruppe von Menschen wirkte, deren Wege sich einen Augenblick lang zufällig kreuzten – und während dieses Augenblicks durchstieß ein kalter Stich White Horses Jackenärmel.
    Sie standen so dicht, dass sie nicht umfiel, als das Betäubungsmittel zu wirken begann. Das Letzte, das White Horse wahrnahm, war der Eindruck, von den Männern in den Fond eines großen Autos gesetzt und angeschnallt zu werden, während man gleichzeitig ihre Hände von der Tasche löste und sie ihr sanft abnahm.
     
    Bobby X war nicht Ian John Detteridges richtiger Name, aber so nannte man ihn im Krankenhaus, und er reagierte auf den Namen – wenn er auch nicht auf die Sprecher als solche reagierte, sondern nur auf ihre Stimmen, die aus den vergänglichen, farbigen Löchern in der Welt zu ihm drangen.
    Als er nach dem Unfall zum ersten Mal aus der Narkose erwachte, dachte er, er hätte seine Sehfähigkeit zum Teil eingebüßt. Er konnte den Umriss seines Bettes und die Geräte ringsum ausmachen, mit denen er durch ein Spaghettigewirr von Schläuchen verbunden war. Er sah den Vorhang und das Fenster und die Zimmerwände und die flackernde, stümperhaft angebrachte Lampe auf der linken Seite. Absolut klar erkannte er sie. Doch dann hatte er einen Flecken bemerkt, mit dem etwas nicht stimmte.
    Eine Masse von unbeständigen Flächen und Farbtönen. Er dachte: Ein Kittel … nein, ein …
    Doch da gingen ihm die Gedanken aus.
    »Mr Detteridge?«, sprach eine Stimme ihn von hinter dem Nebel an.
    Er versuchte um den Nebel herumzublicken, blinzelte, verdrehte die Augen. (Das tat weh.)
    Etwas berührte ihn am Arm, und auch das gehörte zu dem gestaltlosen Etwas. Selbst die Farbe war fremdartig, gräulich wie Rattenfell, wie Staub. Er krümmte sich und rief heiser: »Schwester!«
    »Mr Detteridge?«
    Er bemerkte, dass die Stimme von dem grauen, fremdartigen Ding stammte, das er nicht sehen konnte.
    Er brüllte

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