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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Durch die plötzliche Beschleunigung der Pläne aber, die der Feldtest erzwang, gab es für ihn Dringlicheres zu tun, als sich Delaney vom Hals zu halten. Er musste herausfinden, ob das Projekt der kleinen Armstrong wirklich das Potenzial aufwies, auf das er hoffte. Obwohl er ihr diskret den Rücken stärkte, hatte das britische Verteidigungsministerium ihr erneut eine Lizenz verweigert – was nicht sonderlich überraschen konnte, bedachte man, wie tief dieses Ministerium ins Projekt Mappa Mundi verstrickt war. Außerdem musste man Natalie Armstrongs Arbeit als zu abgehoben ansehen: Ein Forschungsvorhaben, das nur dürftige Ergebnisse erzielen würde und nur wenig Gewinn für die Zukunft versprach.
    Für Guskow stand das längst noch nicht fest. Ihm erschien es, als wäre Armstrong der radikalsten und weitreichendsten wissenschaftlichen Entdeckung ihrer Zeit auf der Spur, und bevor er die Zusammensetzung seines Teams endgültig festlegte, wollte er wissen, ob sie dabei wäre. Wenn dem so war, konnte er vielleicht – nur vielleicht – einen Schritt Vorsprung bewahren.
    Er blickte seinem Gesprächspartner ins Gesicht und sagte nur: »Heute.«
    Sein Datapilot meldete, die Leitung sei sauber, und brach die Verbindung ab.
    Calum Armstrong würde später verstehen, auch wenn er nicht darauf vorbereitet war, dass sein Experiment so dramatisch scheitern würde. Und falls nicht – nun, es wäre schlimm, einen Freund und Kollegen zu verlieren, doch nun würde sich erweisen, ob man sich auf den alten Armstrong überhaupt verlassen konnte.

 
8
     
     
    Als Jude die Passkontrolle hinter sich hatte, rief er White Horse an. Niemand nahm ab. Er fragte sich, ob sie seine frühere Nachricht erhalten hatte und hinterließ ihr noch eine: die gleiche.
    Auf dem Rückflug blieben ihm vierzig Minuten, um darüber nachzudenken, was in England geschehen war. Er hatte die gewünschte Information erhalten. Wäre es ihm nicht lieber, sie nicht bekommen zu haben, weil seine Welt nun auf den Kopf gestellt erschien? White Horse hatte einmal gesagt: »Du kannst nicht zweierlei zugleich sein. Du kannst nur eines. Auf eine Weise in einer Welt leben. Du bist teils Weißer und teils Cheyenne. Du kannst nicht beides ausleben. Du musst dich entscheiden.«
    Nun, er war zuerst das eine und dann das andere gewesen, und jetzt funktionierte plötzlich die Welt der Vernunft nicht mehr, von der er geglaubt hatte, alles darin durchstehen zu können.
    Es war unmöglich, dass er das Dossier Iwanow besaß, und doch hatte er es bei sich. Doch wenn Natalie ihm nicht von NervePath und Mappaware erzählt und nicht behauptet hätte, dass es möglich sei, den Verlauf einer physischen Handlung zu verfolgen und deren Bedeutung als Gedanken zu kennen, wäre ihm das vor wenigen Tagen genauso unmöglich erschienen. Doch ihre anderen Theorien – dass Individualität und freier Wille beides Illusionen wären, eine Folge der Tatsache, dass man die Funktionsweise des Gehirns und des Verstandes nur unzureichend begriff … er war nicht sicher, ob er ihr da wirklich folgen konnte.
    Er blickte über die Wolken und dachte an Natalie. Sie war einzigartig. Er mochte sie. Sie war interessant. Wenn sie verrückt sein sollte, gefiel ihm auch das. »Ich bin froh, dass es dich gibt …« Er bezweifelte, je ein solches Kompliment erhalten zu haben.
    »Sekt, Sir?«, fragte die Stewardess.
    »Nein, danke.« Er wollte nichts trinken. Für Washington brauchte er einen klaren Kopf.
    Doch als er versuchte, sich den Notizen zuzuwenden, die er anfertigte, ertappte er sich immer wieder dabei, wie er an Natalies schiefes Lächeln dachte. Und ihm ging nicht aus dem Sinn, was sie über Selfware gesagt hatte, das System, mit dem man ESP, außersinnliche Wahrnehmung, zu entdecken hoffte, das die Intelligenz fördern und die Möglichkeiten des Verstandes bis zu einer unbekannten Maximalgrenze erweitern sollte.
    Wenn er ruhig darüber nachdachte, klang auch das verrückt, ähnlich wie automatische Einsicht, wie die Fabrikation von Bewusstsein oder Persönlichkeit. Konnte es überhaupt etwas Gutes haben? Brachte es die Menschen nicht nur in eine neue Gefahr, von anderen kontrolliert zu werden oder sich selbst, wenn die Angst zu viel wurde und die Nacht zu lang, etwas zuzufügen, das nicht sonderlich klug war?
    Seit Deer Ridge wusste er, dass die Methodik funktionieren konnte. Er vermochte sich nur nicht die Folgen auszumalen. Natalie war so eng mit dem Problem verstrickt, dass Jude sogar Verständnis

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