Mara und der Feuerbringer, Band 3: Götterdämmerung (German Edition)
hatte sie es mit ihrem Monolog geschafft, dass der Rabe sie verwirrt anstarrte. Ach ja, und auch Steffi schwieg und sah fragend herüber. Zusammen mit ihren Zuhörerinnen.
Okay, na dann … Mara gab sich einen Ruck und rannte los. Sie hörte den Raben krähen und mit den Flügeln schlagen und legte noch einen Zahn zu. Er würde jeden Moment einen Luftangriff starten, da war sich Mara sicher. Und sein Schnabel war eine verdammt fiese, schwarze, spitze Waffe! Trotzdem blieb sie nicht stehen, hob im Rennen den Apfel mit der blutigen Hand zum Mund und biss hinein.
Innerhalb einer Millisekunde fühlte sich Mara … kurzbeinig?
Sie stolperte über ihre Verkleidung, obwohl ihr die doch nur bis zu den Knien ging, und wollte sich mit den Händen an einem der Tische abstützen. Doch irgendwie war der Tisch weiter weg, als sie dachte. Mara prallte fies mit der Schulter auf eine der Bänke, bevor sie auf dem Boden aufschlug.
Gerade noch rechtzeitig hörte sie ein verräterisches Flattern über sich und hatte noch die Geistesgegenwart, die große Holzschüssel wie ein Schild über ihren Kopf zu halten. Es machte laut BONK, und direkt danach machte es leise »Krächz«. Neben ihr fiel der Rabe bewusstlos zu Boden.
»Tut mir leid!«, quietschte Mara seltsam, rappelte sich auf und lief weiter auf Steffi zu. »Frau Warnatzsch-Abra!«, rief sie und wunderte sich über ihre eigene schrille Stimme.
»Mara?!«, antwortete Steffi und sprang vom Tisch. »Aber … aber du … du bist … «
»Ja, ich weiß, ich war weg, aber jetzt bin ich wieder da, und wir hauen hier ab! Ihre Hand!«, piepste Mara heiser und streckte ihre Finger nach Steffi aus. Doch als sie ihre eigene Hand vor sich sah, erschrak Mara so sehr, dass sie fast noch einmal hingefallen wäre. Ihre Finger waren … Fingerchen!?
»Du bist … ein Kind !«, stotterte Steffi und starrte Mara völlig entgeistert an.
»Ich bin ein … aber … was?«, stammelte Mara verwirrt. Und doch schien alles darauf hinzudeuten, dass Steffi recht hatte: die Finger, die kürzeren Beine, die Stimme – Mara hatte sich verjüngt !
Alles, aber doch DAS nicht!, schrie es in Mara, ich hab ewig gebraucht, um vierzehn zu werden, bitte nicht noch mal!
»Du … du hast doch nicht etwa von den Äpfeln der Idun gegessen?!«, rief Steffi erschrocken. »Bist du denn von allen guten Geistern verl…«
Ein lautes Krachen und Knarren ließ sie verstummen, und beide sahen sich um.
Zu allem Überfluss öffnete sich direkt neben ihnen gerade eines der gigantischen Doppeltore. Und noch eins. Und noch eins. Und noch eins. Okay, alle. Und in die Halle flutete durch jedes Tor eine Hundertschaft an blutverschmierten, johlenden und lachenden Wikingern.
Sie warfen ihre Waffen, Helme und Schilde achtlos zur Seite, rissen sich um die Tische, schubsten und schlugen sich feixend und schrien nach Essen und Trinken. Das verstand Mara zwar nicht, aber sie hatte trotzdem keinen Zweifel daran. Was sonst hätten sie brüllen sollen? »Für mich bitte eine Rhabarbersaftschorle mit Strohhalm?!« Oder was?
Da hatte Steffi Mara endlich erreicht und griff mit beiden Händen ihren Arm. »Los, weg hier! Die sind jetzt erst mal beschäftigt.«
Mara verstand erst nicht, was Steffi meinte. Doch als sie zurückschaute zu den Frauen, auf die Steffi vorhin so eindringlich eingeredet hatte, wurde ihr alles klar: Die Frauen sahen den Männern schweigend zu, hatten die Arme verschränkt, die Lippen zusammengepresst und bewegten sich keinen Millimeter.
Steffi grinste schelmisch. »Dachte, es kann auch hier in Walhall nicht schaden, wenn sich die Männer zur Abwechslung mal ihr Bier selber holen. Jetzt aber los.«
Mara nickte und konzentrierte sich.
Kapitel 11
D as Gute an den magischen Kräften der Äpfel war, dass es Mara spielend leicht gelang, sie beide wieder zurück in die Gegenwart nach Kalkriese zu holen.
Das Schlechte daran war, dass Mara nicht älter aussah als acht Jahre.
»Daf darf doch nift wahr fein«, lispelte Mara, kaum, dass sie sich orientiert hatte, und schlug sich sofort mit der Hand auf den Mund. Ich lisple!? Ich lisple wieder?! Nein! NICHT DAS!
»Ganz ruhig, Mara, beruhige dich bitte«, hörte sie Steffi sagen, aber Mara sah wirklich überhaupt keinen Grund, sich zu beruhigen. Am liebsten hätte sie jetzt ganz laut losgeschrien und geschimpft. Sie schämte sich aber so für ihre Stimme und ihr Lispeln, dass sie es bei einem unterdrückten Wutschrei irgendwo in der Kehle beließ und dazu wie wild auf dem
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