Mara und der Feuerbringer, Band 3: Götterdämmerung (German Edition)
im zweiten Stock.«
Mara hob die verbogene, rostige Waffe vom Boden auf und löste sich von dem seltsamen Schauspiel. Dann folgte sie Steffi. Was sonst hätte sie tun sollen? Eben.
Als sie beide nur wenig später mit dem Gepäck zurückkamen, waren die Touristen inzwischen im Museum verschwunden. Professor Weissinger und der Wikinger standen auf dem Parkplatz und waren in ein Gespräch verwickelt. Hätte der Krieger nicht so kriegerisch ausgesehen, man hätte meinen können, dass sich hier zwei Arbeitskollegen unterhielten, bevor sich jeder in seinen Büroverschlag zurückzog. So aber bot es schon ein seltsames Bild.
»Dann nimm doch mal deinen Helm ab«, forderte der Professor ihn gerade auf, deutete auf den Helm und dann auf die Sonne. Der Wikinger zögerte kurz, zuckte dann recht modern mit den Achseln und zog den schweren Helm mit dem breiten Nasenschoner vom Kopf.
Mara war ebenso erstaunt wie der Professor, als darunter ein schmutziges, aber überraschend junges Gesicht zum Vorschein kam. Außerdem fielen lange dunkelblonde Haare aus dem Helm und kräuselten sich nun bis über die lederbedeckten Schultern.
»Hvat er nafn þitt?«, fragte der Professor, und der Junge antwortete mit einem seltsamen Wort. Er sagte: »Thumelicus.«
Professor Weissinger runzelte die Stirn, und seine Exfrau sog überrascht die Luft ein. »Das kann doch nicht«, flüsterte sie und sah den Jungen dabei mit einem seltsamen Blick an, der diesem offensichtlich gar nicht geheuer war.
»Um waf geht’f hier bitte?«, lispelte Mara dazwischen und hätte jetzt wirklich alles dafür gegeben, Zeichensprache zu beherrschen.
»Ich habe ihn nach seinem Namen gefragt, und die Antwort hat uns, vorsichtig ausgedrückt, überrascht«, antwortete der Professor.
»Wiefo?«, fragte Mara, während sie überlegte, wie der junge Wikinger wohl gewaschen aussah. Andererseits würde er sich ja wohl kaum für ein achtjähriges, leicht angepummeltes Lispelmädchen interessieren.
»Wie gesagt, Thumelicus«, gab der Professor zurück.
»Daf ift ein Name?«
»Ja, und zwar ein römischer. Somit ist das hier eigentlich gar kein Wikinger, sondern ein Germane.«
Mara sah den Professor fragend an. Der Junge war ein Germane, weil er einen römischen Namen trug? Hatten nicht vor allem Römer römische Namen?
Steffi antwortete für den Professor: »Das ist wieder mal typisch Reinhold Weissinger , unglaublich. Damit will er nur erreichen, dass man ihn fragt, und ich kürz das mal eben ab. Also, wenn dieser Junge DER Thumelicus ist, den wir meinen – dann ist er ein germanischer Fürstensohn, trägt aber einen römischen Namen, weil er in römischer Gefangenschaft aufwuchs. Jeder Historiker, der sich durch die Schriften des Tacitus kämpfen durfte, kennt ihn. Und wir hier im Museum Varusschlacht kennen ihn sogar ganz besonders gut.«
Aha, ist also ein Promi, der Tunnelkuss, dachte Mara und beschloss, ihn deswegen nicht anders zu behandeln als jeden anderen nett aussehenden Jungen mit dunkelblonden Locken und braunen Augen …
Professor Weissinger nickte. »Ja, Thumelicus ist nämlich der Name des Sohnes von Arminius.«
Sofort blitzte es in den Augen des Jungen auf. »Sigurd!«, rief er wütend. Und schimpfte dann irgendwas in einer ganz anderen Sprache, wollte gar nicht mehr aufhören.
Beruhigend hob Professor Weissinger die Hände und sprach leise, aber bestimmt auf ihn ein. Mara erkannte, dass der Professor jetzt lateinisch mit dem Jungen sprach. Na klar, Thumelicus war bei den Römern aufgewachsen, und die hatten ihm sicher kein Germanisch beigebracht. Die nordische Sprache hatte er dann wohl erst in Walhall gelernt.
Der Junge verstummte schließlich und drehte sich dann weg. Mara kannte diese Bewegung sehr gut, und zwar von sich selbst. Sie machte das immer dann, wenn sie weinen musste und es niemand sehen sollte. Doch erst jetzt wurde ihr nun bewusst, dass genau das Wegdrehen eigentlich schon alles verriet. Mist.
»Ich glaube, wir sollten uns die Zeit nehmen und ihm mal erzählen, wo er hier eigentlich ist. Das sind wir dem armen Kerl schuldig«, sagte Steffi. »Nimm du dir doch die Zeit und kläre Mara kurz auf. Dann fahren wir nach München.«
»Wir? Moment mal, wieso … «, begann der Professor, doch Steffi schnitt ihm das Wort ab. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mich jetzt wieder hier in mein Erdloch setze und weiter germanische Pfeilspitzen ausgrabe, wenn ich mit euch die Chance habe, zu sehen, wie die Dinger abgeschossen
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