Mara und der Feuerbringer, Band 3: Götterdämmerung (German Edition)
Orientierung. Plötzlich löste sich Ratatösk von ihrer Schulter, gleichzeitig schien der Boden unter ihr wegzusacken, und alles wurde … leicht.
Mara fiel.
Es war wie ein Traum. Mara hatte oft Träume vom Fallen gehabt, und es war genau so. Nur mit Baum. Über ihr wurde der riesige Ast immer kleiner und kleiner. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auf einem der nächsten unzähligen Äste aufschlagen würde. Oder in einer der Welten inmitten der Wurzeln von Yggdrasil.
Okay.
Mara öffnete die Augen und fühlte den nassen Teppich des Hotelflurs unter ihren Fingern.
»Mara!«, hörte sie den Professor rufen und spürte seine Berührung an ihrem Arm. »Was ist mit Thumelicus? Er atmet nicht mehr, ich … «
»Gleich wieder da … mit dem Typ … kaum mehr Götterkraft … «, keuchte sie und krabbelte unbeholfen vom Professor weg, um ihn nicht auch in Gefahr zu bringen. »Machen Sie sich bereit!«, sagte sie und konzentrierte sich …
»Hey!«, krächzte Mara, und Thurisaz fuhr erschrocken herum. Zufrieden sah sie, dass auch Ratatösk überrascht war – das Eichhörnchen war so schnell auf die Schulter von Thurisaz gesprungen, dass es aussah wie ein Filmschnitt. Die Wirkung musste aber auch erstaunlich sein: Das Mädchen, dem sie vorhin noch beim Fallen zugesehen hatten, stand nun plötzlich schwer atmend, aber weitestgehend unzerschmettert vor ihnen.
Natürlich war hier schon viel mehr Zeit vergangen. Thurisaz brannte längst nicht mehr, und die beiden schienen gerade beratschlagt zu haben, was nun zu tun war. Umso erstaunter waren sie beide, und das sah man ihnen auch an.
»Du? Aber … d…«, stammelte Thurisaz und deutete erst nach unten und dann auf Mara. Wie um sich zu versichern, dass sie es auch wirklich war, sah er noch einmal nach unten, aber da war nichts außer Nebel. Dann verzog sich sein Gesicht zu einer wütenden Fratze. »Du Hexe, wie hast du das angestellt?«
»Geht Sie nix an. Aber ich hab was beschlossen. Ich nehme Sie wieder mit zurück.«
»Ach was? Ganz freiwillig?« Thurisaz sah Mara prüfend an. »Was hast du vor?«
»Geht Sie auch nix an«, antwortete Mara. »Aber ich … « Sie zögerte. Erzähl dem bloß nicht, dass du kaum mehr Kräfte hast! »Wir sind gleich stark«, sagte sie stattdessen. »Aber hier in … mitten in der … Mythologie sind zu viele Dinge, mit denen ich Sie nicht alleine lassen will. Ich weiß zum Beispiel, dass da unten ein Drache hockt. Und dass der auch noch ein Kumpel von dem kleinen Mistvieh da ist. Am Ende kommen Sie zurück, wenn ich’s überhaupt nicht erwarte, und reiten auch noch auf einem Drachen, oder was weiß ich. Nur weil ich keinen Weg kenne, wie man hier ohne Magie wieder rauskommt, heißt das nämlich nicht, dass es keinen gibt. Also halte ich mich an das, was Thumelicus gesagt hat, bevor Sie ihn so feige ermordet haben … «
Sie machte eine bedeutungsvolle Pause und zeigte dann mit ihrem Stab auf Thurisaz. Der zuckte zusammen und ließ sofort wieder Flammen an seinen Fäusten lodern. Mara hatte aber gar nicht vor, mit Wasser um sich zu schießen. Dafür war sie inzwischen viel zu schwach.
»Also hören Sie mir jetzt gefälligst zu«, rief sie stattdessen mit möglicht fester Stimme. »Ich pass genau auf, was Sie machen! Und ich dreh Ihnen garantiert nicht den Rücken zu. Ich find einen Weg, wie ich Sie aufhalte, mitsamt dem Feuerbringer und diesem Puschelteufel da! Vielleicht nicht heute und nicht hier. Aber ich find einen Weg, und dann hilft Ihnen auch der ganze Feuerzauber nix. Sie haben keine ruhige Minute mehr, das schwöre ich Ihnen!«
Thurisaz schwieg. Er schien zu überlegen. Ratatösk hockte auf seiner Schulter und funkelte Mara wütend an. Fast hatte sie inzwischen mehr Respekt vor dem Eichhörnchen als vor Thurisaz. Bei dem Typ wusste man wenigstens, woran man war. Er schrie, er tobte, er redete und nutzte jede Gelegenheit für eine Attacke. Aber Ratatösk schwieg die meiste Zeit und trat immer erst dann in Aktion, wenn man es am wenigsten erwartete. Was konnte es Schlimmeres geben, als einen Feind, der warten konnte?
»Also, kommen Sie jetzt freiwillig mit zurück, oder machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben? Von mir aus spielen wir noch stundenlang Fangen, ich bin bereit«, bluffte Mara, warf sich und ihren Stab in eine Kung-Fu-artige Pose, die so etwas wie Kampfbereitschaft ausdrücken sollte, aber etwas zu unbequem war, um lange so zu stehen, und hoffte das Beste.
Thurisaz überlegte immer noch.
Verdammt,
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