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Mara und der Feuerbringer

Mara und der Feuerbringer

Titel: Mara und der Feuerbringer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Krappweis
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antwortete: »Wie soll der Loki das wissen, wo er doch nun schon so lange hier in seinem Gefängnis harrt und nur weiß, dass es den Loki wohl noch geben muss, da er sich selbst von Zeit zu Zeit schreien hört …«
    Dann aber lachte er kurz auf, als hätte er gerade nur ein kleines Theaterstück aufgeführt. Mara war erstaunt, dass er bei all dem Grauen, das er durchlebt hatte, noch in der Lage war, überhaupt ein Geräusch zu machen, das an Lachen erinnerte.
    »Wenn die anderen Götter alle verschwunden sind«, fragte sie weiter, »warum glauben Sie denn, sind Sie selbst immer noch hier?«
    Loki zuckte mit der einen Schulter, die er bewegen konnte. »Das kann ich dir nicht sagen, kleine
Völva
, wie ich dir auch alles andere nicht sagen kann, das außerhalb meiner kalkweißen Hallen stattfand. Ich vermag dir wohl alles zu erzählen über die Entstehung von Tropfsteinen,die Gewohnheiten meines verehrten Mitbewohners, dem
Skadarnaut
dort oben in den Schatten. Oder darüber, wie es ist, über Jahrhunderte seine Glieder nicht zu strecken! Über den Verbleib der
Asen
und der
Wanen
jedoch und das Geheimnis meines langen Seins weiß ich weniger als nichts. Wobei auch weniger als nichts nicht mehr ist, als nun mal nichts nicht mehr oder weniger nichts sein kann, als nichts nun mal ist.«
    Sichtlich stolz über diesen sprachlichen Irrgarten grinste Loki schelmisch zu Mara hinauf.
    Oh ja, dachte sie, du würdest dich sicher gut mit dem Professor verstehen! Der hätte jetzt vielleicht sogar eine ebenbürtige Antwort gehabt. Mara hingegen hatte nur weitere Fragen. »Dann verstehe ich aber noch was nicht, Herr Loki … warum wollen Sie sich denn an den Göttern rächen, wenn es die doch anscheinend eh nicht mehr gibt?«
    Doch da sah Loki sie mit einem verwunderten Blick an: »An den Göttern will ich mich rächen? Ich frage mich, wo du das gesehen haben kannst, kleine Seherin?«
    Mara verstummte. Tatsächlich hatte Loki nichts dergleichen gesagt. Sie hatte es sich nur aus den Erzählungen des Zweigs und ihren bisherigen Erlebnissen zusammengereimt.
    »Soll das bedeuten, dass Sie die Welt auch nicht in die
Ragnarök
stürzen wollen?«, fragte Mara etwas verdattert.
    »Die
Ragnarök
? Ha! Nein, ich hatte genug Müßiggang, um über diese Torheit nachzudenken,
Litilvölva
. Alles hätten wir zerstört und uns selbst noch mit dazu, und nichts hätten wir erreicht außer einen neuen Anfang, der ja doch wieder so enden würde wie das, was man trachtete, beenden zu wollen. Nein, nicht ums Zerstören geht es, nur ums Sein soll es gehen. Denn wir haben nicht den Anfang gemacht, also werden wir es auch nicht beenden. So viel kann auch ein halber Gott verstehen, wenn er nur doppelt so viel Zeit hat nachzudenken!«
    Mara war noch nicht einmal ein halber Gott und darum verstandsie auch gerade mal ein Viertel von dem, was Loki sagte. Aber zumindest hatte sie kapiert, dass er sich nicht an den Göttern rächen wollte.
    »Aber an wem denn dann?«, plapperte es aus ihr heraus. »Ich meine, Sie … Sie sind doch wütend auf … irgendwen oder irgendwas?« Wie war es denn sonst zu erklären, dass man ihr den Zweig geschickt hatte, um Loki aufzuhalten? Es musste doch einen Grund geben, warum wer-auch-immer die Götterdämmerung befürchtete!
    »Das will ich dir gerne sagen. Auf dass du es nie wieder vergisst«, antwortete Loki, und Mara spürte plötzlich den düsteren Unterton seiner Stimme, der in ihrem Bauch vibrierte. »Loki will Rache an dem, der ist, obwohl er nichts ist; dem, der mehr sein will als das, aus dem er geboren; dem, der glaubt, dass der
Logi
ihm die Kraft gibt, dem Loki zu widerstehen, und damit irrt; dem, der mein Teuerstes mir nahm. Sie, die mir das größte Opfer brachte, so viel mehr gab, als ich jemals gegeben!«
    Der Halbgott machte eine Pause und sprach dann plötzlich sehr leise weiter: »Ja, groß war der Loki im Nehmen, noch größer im Behalten, aber im Geben war er klein. Kleiner noch als diese elende Wanze, die mir seit Jahrhunderten am rechten Bein saugt und die ich nicht mehr missen will.« Er blickte Mara trocken an. »Ich habe sie
Odin
getauft. Wie findest du das?«
    Und dann lachte er so sehr, dass ihm fast die Schüssel aus der Hand gefallen wäre und ihm die Tränen über die Wangen liefen. Sein Lachen wirkte ansteckend und Mara konnte nicht anders: Sie musste grinsen. Nicht über den Witz, dessen Pointe sie nur erahnen konnte, aber dafür umso mehr über Loki selbst und seine unbändige Freude am eigenen

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