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Márai, Sándor

Márai, Sándor

Titel: Márai, Sándor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die vier Jahreszeiten
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und dessentwegen du an dem Tag, da der Text gedruckt wurde, nicht auf die Straße gingst.
    Sich damit abfinden, dass es zwei Welten gibt, zweierlei Regeln, Maßstäbe und Moral und auch noch eine andere Religion. So leben, dass man dich zwischen diesen beiden Welten duldet. Voller Demut leben. Mit tiefer Verbeugung grüßen, die Ministerialräte, die Abonnenten und schwache Autoren.
    Schweigen.
    Schweigen, aber wie?
    In einem Gedichtband habe ich gestern gelesen: »Schweigen, wie eine Bombe.«
    CZEMÉTE
    Am Nachmittag ging ich durch den Wald, und plötzlich fiel mir Czeméte* ein. Eine Badeanlage im Wald unweit von Eperjes*: Das Badehaus ist ein lang gezogenes, ebenerdiges Gebäude, bestehend aus einer Reihe von Zimmern und einem Speisesaal mit Veranda davor, gegenüber der Schwefelquelle im Wald, der noch ein wenig Urwald ist, voller Stille und Beeren, Himbeeren, Vergissmeinnicht, Farnkraut und Rehwild, mit dieser halbdunklen Unendlichkeit, wie man sie nur in richtigen Urwäldern findet; als wäre der Wald die große, ewige Werkstätte des Lebens, ein bisschen Friedhof und ein wenig auch die Kinderstube allen Lebens … So ist der Wald rund um Czeméte. Der Gast badet im hölzernen Zuber. Am Abend erklingt im Mondschein auf der Veranda des Speisesaals Zigeunermusik, leise, Rehe treten auf die mondbeglänzte Waldwiese heraus und spähen ängstlich. Auf den Tischen flackern Kerzen in Glaszylindern. Eine Kurtaxe gibt es nicht. Und überhaupt, gar nichts gibts. Das fiel mir eben ein und entzückte mein Herz. Wenn es sich nicht entwickelt, nicht »Schritt hält mit der Zeit«, kein elektrisches Licht einführt, kein Fließendwasser und keinen Tennistrainer, wenn der Wald erhalten bleibt, mit Rehen und Himbeeren, man auch an den Holzzubern festhält, prophezeie ich Czeméte eine schöne Zukunft in meiner Erinnerung.
    TRAUER
    Die Hendlverkäuferin vom Wochenmarkt ist gestorben. Sie war auch schon alt; beim Mittagessen hat sie ein Schwindel befallen, am Abend war sie bereits aufgebahrt. An ihrer Statt sitzt jetzt der Ehemann auf dem Platz und verkauft inmitten der Marktweiber sein Geflügel.
    Der Witwer ist unbeholfen und traurig. Ein alter Mann und ganz Witwer und Waise – er ist es so anspruchslos und bescheiden; er versteht es nicht, etwas feilzubieten und zu feilschen, beherrscht das Geschäft so jämmerlich schlecht, sitzt so hoffnungslos da mit seinem Federvieh, das er stumm, ohne Überzeugungskraft den Leuten zum Kauf anträgt, und er ist so sichtbar verletzt und angerührt, dass keiner bei ihm kauft. Die Marktfrauen nebenan locken ihm die Kunden weg, schreien über den Kopf des Witwers hinweg, fahren ihm frech über den Mund, sind routiniert und gesund.
    Natürlich haben wir die Hendl bei ihm, beim Witwer, gekauft. Verschämt überreichte er uns die Ware und bedankte sich leise für das bezahlte Geld.
    JAPANISCHE PERLE
    Man öffnet die Schale der Muschel, bringt ihr eine Verletzung bei und setzt ein Sandkorn in den weichen Körper, dann wirft man sie ins Meer zurück. Das verletzte Tier beginnt sich zu wehren, etwas dagegen zu tun: Es erzeugt eine Perle. Die japanische Perle.
    Auch die meisten Künstler sind solche verletzten Kreaturen. Ein Fremdkörper gerät in ihre Seele, und durch diese künstliche Irritation kommt der schöpferische Prozess in Gang. Was sie so schaffen, entspricht in Materie und Aufbau ganz dem Echten. Nur der Ursprung ist anders. Echte Perlen ohne künstliche Einmischung, also aus sich heraus, können nur auserwählte Ausnahmeexemplare produzieren. Diese sind die rarsten und kostbarsten. Doch den Unterschied vermag nur der Fachmann zu erkennen.
    DIE FEDER
    Alles, was mir wichtig ist, schreibe ich mit der Feder. Dann aber muss es noch abgetippt werden, denn meine Handschrift ist unleserlich. Die Literatur ist nicht nur Inspiration und rauschhaftes Entzücken, sondern auch Handwerk. Wer das nicht weiß oder leugnet, der ist ein geschmäcklerischer Dilettant.
    Feder, Waffe meiner Ahnen du, ich halte dich hoch. Neue Feder, sie funkelt im Lichtschein des Morgens. Ich betrachte dich andachtsvoll, du mein einziges Werkzeug und einzige Waffe. Wie der Handwerker, der aus der Welt der modernen Technik heimkehrt in die Werkstatt seiner Ahnen, zu den primitiven Gerätschaften und staunend und glücklich ihrer Handlichkeit und ihrer vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten gewahr wird. Die Feder hat etwas Menschliches, wie die menschlichen Sinne, etwas Ursprüngliches, Primitives und Perfektes. Was du mit

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