Márai, Sándor
zu genau neun Teilen Kupfer genau ein Teil Zinn erforderlich ist, damit aus dem Guss harte Bronze wird; dann erscheint mir doch alles, was in der Zeitspanne zwischen Caesar und Lenin geschah, eher wie ein Amoklauf und nicht als Stagnation.
DER PRIVATIER
Er ist dreiundvierzig. Sein Vater hat ihm Häuser vererbt. Er kleidet sich ausgesucht vornehm. Auf seiner Visitenkarte steht unter dem Namen das Wort: »Privatier«.
Und ebendies ist sein Metier, nichts anderes. Am Morgen steht er auf, schaut aus dem Fenster, gähnt, reibt sich den Schlaf aus den Augen und ist dann Privatier, bis er schlafen geht. Er ist so unmissverständlich Privatier, wie man einen Kaminfeger nicht verwechseln kann, wenn er in schwarzen Klamotten, rußverschmiert, mit Kugel und Leiter auf der Schulter die Straße entlangtrottet. Die Menschheit hetzt, registriert, baut, führt Kriege, rennt ins Pfandhaus, setzt Kriegsschiffe unter Dampf. Er privatisiert.
Seine Profession nimmt ihn völlig in Anspruch. Ein ewig klagender Mensch. Er verabscheut das Zeitalter, das die Privatiers nicht mehr estimiert, mehr über arbeitende, ja notleidende Menschen redet als über die unermüdlichen, zähen Privatiers, die bei Tag und bei Nacht, selbst bei Sturm und Regen privatisieren. Wie das letzte Exemplar dieser aussterbenden, vornehmen Spezies bewegt er sich in dieser Welt, entschlossen und gekränkt. Hat für nichts Zeit, kann an nichts Anteil nehmen, das Privatisieren belegt ihn total mit Beschlag.
Mitleidvoll sehe ich ihm in die Augen, höre mir seine Klagen an, drücke ihm die Hand. Einen lungenkranken, seit Monaten arbeitslosen Bergmann zu bedauern, ist nicht schwer. Doch bedaure, verdammt noch mal, den Privatier, falls du das fertigbringst.
TRAUMLOSE TAGE
Wohin sind sie entschwunden, die Träume meiner Tage?
In der Nacht träume ich noch, aber nachts träumt jeder beliebige Gauner. Dieser andere Traum, der Tagtraum, der mich begleitet hat die Straßen entlang, durch Salons, Werkstätten, bei den Massen, der richtige, dieser dämmernde, allmählich bewusst werdende Traum, im Autobus, beim Fahrkartenlösen oder auf einem Gartenweg unter Bäumen, dieses Schwindelgefühl, als ich aus einem Zimmer ins andere wandelte, dieses Sinnen ohne Ziel, ohne Gegenstand und Bild, dass ich lebe, zwischen zwei Nichts, diese widerspenstigen Träume vom Leben: Wohin sind sie entschwunden?
PORTIA
Ich hätte Portia nicht geheiratet.
VALÉRIE
Manchmal, in Gesellschaft, schwieg sie stundenlang. Von Zeit zu Zeit hob sie die Hand und strich sich über ihre Schläfe, diskret und zufrieden. Dann fing sie ganz unerwartet zu reden an, in entschiedenem, selbstgefälligem Ton, erzählte eine Geschichte, die keinen Anfang und kein Ende hatte, auch keine Mitte und keinen Inhalt; und das alles mit volltönender Stimme, mutig, stolz, launig und selbstbewusst vorgetragen. Beim Reden strahlte sie vor selbstzufriedener Beschränktheit. Danach schwieg sie triumphierend für Wochen.
Vermutlich ist sie auch bei der Partnerwahl, in der Liebe so vorgegangen. Sie hat geschwiegen fünfundzwanzig – achtundzwanzig Jahre lang, dann sagte sie überraschend mit freudigem Ton plötzlich: »Endre.« Keiner hat es verstanden. Man wunderte sich etwas; auch Endre.
Es erinnert an die ältere Rostow-Tochter in Tolstois Roman, an die Gemahlin von Berg. Sie trägt ihren Namen wie ein kleines Geschmeide. Bevor sie sich in Gesellschaft begibt, steckt sie ihn sich vor die Stirn. Der Name glänzt. Als wäre gar keine Person, sondern nur ein Name erschienen. Man blickt auf, erkennt sie und sagt leise: »Aha, Valérie.«
PRIVATSACHE
Ich habe eine Schreibmaschine mitgebracht; doch hier im Hotel, wo jeder ängstliche Laut und jedes Geräusch durch die papiernen Wände dringt, geniere ich mich zu schreiben; fürchte, dass man mich hört.
Nur das Werk ist Gemeinschaftsgut. Das Schreiben ist Privatsache.
DAS ZEREMONIELL
Herr Z. tut jeden Mittag um eins im Schwimmbad unterhalb der Mündung des Wasserlaufs, wo sich in dickem Strahl das flüssige Element ins Gemeinschaftsbecken ergießt, Buße.
Der oberflächliche Betrachter sieht nur, dass Herr Z. in seiner Badehosenblöße unter dem Wasserstrahl seine Verbeugungen macht. Doch wer ihn häufiger und eingehender betrachtet, wird feststellen, dass sich im Rhythmus, in dem Herr Z. die nackten Diener und das Eintauchen ins Wasser vollführt, ein symbolisches und durchaus bewusstes Zeremoniell manifestiert. Er breitet die Arme aus, drückt das Kinn an seine Brust
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