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Márai, Sándor

Márai, Sándor

Titel: Márai, Sándor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die vier Jahreszeiten
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und macht Verbeugungen. Lautlos bewegt er die Lippen unter dem Wasserstrahl. Es ist ganz offensichtlich, er tut Buße.
    In diesem Augenblick hat Herr Z. den Ganges oder vielleicht den Nil im Sinn. Jeden Mittag, genau um eins, läutert er sich und stets mit denselben Bewegungen. Da ist er ursprünglich, schlicht, würdevoll. Danach kleidet er sich an und geht zurück in die Bürstenfabrik.
    DAS FENSTER
    Die Bewegung, wenn in einer fremden Stadt, gegen Abend, an einem fremden Fenster eine Frauenhand herauslangt und die Fensterflügel zuzieht.
    In den Zimmern brennen Lampen; und nun ist es plötzlich dunkel. Drinnen beginnen sie zu leben, sie widmen sich dem Abend, der Liebe oder einem Gedanken, vielleicht auch nur dem Nachtmahl. Die weibliche Hand hat mit dieser Bewegung die Welt ausgesperrt. Etwas Inniges und edel Sinnliches beginnt sich drinnen zu vollziehen, etwas Trotziges und Geheimnisvolles. Selbst ein Abendessen kann hinter zugezogenen Fensterflügeln geheimnisvoll sein.
    Der Wanderer bleibt vor dem Fenster stehen, dessen Flügel gerade geschlossen wurden. Der Weg ist schon dunkel und feucht vom Tau. Er zündet sich eine Zigarette an und blickt zum Fenster hoch, weiß, dass jeder Versuch, mit dem er sich der anderen Welt nähern würde, lächerlich und hoffnungslos ist. Er könnte ja vielleicht noch hinaufgehen zur fremden Tür, könnte klopfen. Doch dann fällt ihm ein, dass er das geheime Klopfzeichen schon vergessen hat.
    DIE SÜDLICHEN MEERE
    Die meisten Menschen begnügen sich schließlich mit einem Aquarium, das nicht größer ist als eine Kehrichtkiste, und drei Goldfische schwimmen darin.
    HERBSTLICHE LIEBE
    E., der erwachsene Mann, liebt H., die erwachsene Frau. Beide sind gesund. E. ist verheiratet, H. hat ebenfalls einen Ehemann. E. liebt seine Frau nicht, H. hasst ihren Gatten. Im Sommer hatten sie sich ineinander verliebt, in einem Ruderboot.
    Ihre Freunde reden über diese Liebe gern und viel. Über diesen einfachen und doch eher erfreulichen als traurigen Tatbestand – nämlich die selbstbewusste, glühende, hingebungsvolle Liebe eines Mannes und einer Frau – spricht jeder fassungslos, empört oder zynisch, als litte E. unter einer schändlichen und übel riechenden Seuche. Und ein wenig auch so, als hätten die Verliebten gemeinsam einen Mord oder zumindest einen Frevel begangen. Und sie halten sich vor Lachen die Bäuche, weil E. aufgeregt ist, zeitweilig die Hand aufs Herz presst und zum Himmel hochblickt; und H. weint und ist blass. »Sie lieben sich!« – sagen auch Freunde und breiten in stummem Entsetzen die Arme aus. Mich würde es nicht wundern, wenn die Polizei sich zum Eingreifen genötigt sähe, E. vorübergehend festnähme und mit einer kleineren Geldstrafe belegte, H. – ähnlich wie im Mittelalter, als man die Ehebrecherin an den Pranger gebunden, ihr den Zopf abgeschnitten hat – für das Strafregister fotografierte.
    Ich habe E. zur Seite genommen und ihm seine Sünden vorgehalten:
    »Lieben ist nur in sanktionierter Form erlaubt«, sagte ich ihm mit erhobenem Zeigefinger, »in der Weise und nur dort, wo die behördlichen Vorschriften es zulassen. Zum Beispiel im Ehebett. Oder im Freudenhaus.«
    UND DENNOCH
    Und dennoch, und doch habe ich fliegend die Alpen überquert, in meinem Zimmer menschliche Stimmen hören können, die aus Australien hierher zu mir gelangten, konnte nachts um zwei mit meiner Liebe in der Ferne sprechen, und wie hoffnungslos auch alles sein mochte, so habe ich doch etwas von der Unendlichkeit gespürt, so unmittelbar und einfach, wie Menschen vor mir es nicht spüren konnten. Ja, ich weiß, von all dem hing nicht die Wahrheit des Lebens ab, durch all das wurden wir nicht besser, edler, wahrhaftiger. Und dennoch, und doch, wir sind menschlicher geworden.
    DER KNAUSRIGE
    Der alte Herr – bereits über achtzig – ist vor einiger Zeit gestolpert und im Hausflur gestürzt, er hat sich das rechte Bein gebrochen. Die verkalkten Knochen sind wieder zusammengewachsen, und jetzt bewegt er sich im Rollstuhl zwischen Wohnräumen und offenem Bogengang. Als wir kommen, um ihn zu besuchen, sitzt er mit Baskenmütze, hager und aufrecht unter der Petroleumlampe und schmatzt an einem Zigarrenstummel in langer Spitze.
    Später verlagern wir uns in den Garten; der Alte bleibt im Bogengang. Unterhält sich mit seiner Schwiegertochter. Er sagt: »Meine Nieren, ja, die sind noch in Ordnung. Auch die Leber. Und der Magen funktioniert ebenfalls.« Er sagt das alles in der

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