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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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bestreiten, aber
macht nichts... Was meinen Sie: was hat man bei einem Pfandleiher verloren?“
    „Ach! Erzählen Sie mir nicht,
daß...“
    „Daß was? Ich wollte auch was
versetzen.“
    „Nein!“
    „Doch.“
    „Wirklich zu komisch...“
    Sie lachte nervös auf:
    „...Also blank?“
    „Kann vorkommen... Äh... Dieser
Badoux — es stört Sie doch nicht, wenn ich wieder auf ihn zurückkomme, oder? — , kennen Sie ihn?“
    „Nein.“
    „Sie wissen nicht zufällig, in
welcher Beziehung er zu Cabirol stand?“
    „Nein. War der nicht auch...
blank?“
    Sie sprach langsam, mit
höflicher Langeweile:
    „...Die Zeitungen schreiben...“
    „Ich weiß nicht genau, was er
ist“, seufzte ich. „Macht nichts...“
    Ich sah auf die Uhr und stand
auf.
    „...Sie können sich auf der
Toilette drüben wieder herrichten. Und dann gehen Sie...“
    Nach kurzem Zögern stand sie
ebenfalls auf.
    „Gehen? Soll das heißen,
daß...“
    „...ich Sie nicht bis zum
Sankt-Nimmerleins-Tag hierbehalte, jawohl!“
    „Was werden Sie jetzt machen?
Werden Sie...werden Sie zur Polizei gehen und ihr von unserer Unterhaltung
berichten?“
    „Nein.“
    „Dann bleibt alles, was ich
Ihnen erzählt habe, unter uns? Mein Verlobter und meine Mutter werden nicht
erfahren, daß...“
    „Ich hab keine Veranlassung,
ihnen was zu sagen. Ich habe Ihnen... die Beichte abgenommen, wie Sie es
nennen, um mich zu informieren. Und Cabirols Ende ist mir scheißegal.“ Sie sah
mich dankbar an.
    „Vielen Dank, Monsieur
Burma...Wo ist die Toilette?“
    Ich zeigte ihr den Weg. Sie
verschwand, um sich einen neuen Anstrich zu geben. Ich zog meinen Regenmantel
über, kämmte mich mit zwei Fingern und setzte meinen Hut auf. Dann ging ich in
Hélènes Büro.
    „Brauchen Sie noch meine
Hilfe?“ fragte sie ironisch. „Nein. Ich komm schon alleine zurecht. Nichts
Neues von Zavatter?“
    „Nein.“
    „Hm... Ich glaub, der kümmert
sich ‘n Dreck darum. Ist nicht bei der Sache. Haben Sie nicht auch den
Eindruck, Hélène?“
    „Ist mir nicht aufgefallen.“
    „Hm. Sie sind ein großartiges
Mädchen. Gibt’s nicht so oft... Muß wohl am Geld liegen.“
    „Welches Geld?“
    „Verstehen Sie nicht, was ich
damit meine?“
    „Vielleicht...“
    Odette kam ins Büro und unterbrach
uns. Hübsch zurechtgemacht, süß, zum Anbeißen. Genau die richtige Spur von
Müdigkeit unter den Augen, um interessant zu wirken.
    „So“, sagte sie. „Ich... mir
bleibt nur noch, mich von Ihnen zu verabschieden, Monsieur Burma.“
    Sie bedachte Hélène mit einem
liebenswürdigen Lächeln und reichte mir die Hand. Ich nahm sie nicht.
    „Gehen Sie jetzt nach Hause?“
    „Ja.“
    „Ich gehe mit Ihnen. Hab mir
überlegt, daß Ihre Mutter Cabirol bestimmt besser kannte als Sie. Vielleicht
kann sie mir einiges über diesen Badoux erzählen.“
    Sie zuckte zusammen.
    „Ich bezweifle sehr, daß Mama
Ihnen irgendwie nützlich sein könnte.“
    „Ich kann’s ja mal versuchen.“
    „Sicher“, erwiderte sie bissig.
„Und bei der Gelegenheit auch gleich überprüfen, ob ich wirklich in der Rue de
Thorigny wohne und wirklich verlobt bin.“
    „Und ausgerechnet Sie
bezeichnen sich als Rindvieh!“ lachte ich.
    Als gute Verliererin stimmte
sie in mein Lachen ein.

Die Gießerei
     
    Madame Ernestine Jacquier hatte
die Fünfzig zwar schon überschritten, sah aber immer noch gut aus. Mit der
vorhandenen Schönheit wäre so mancher Mann höchst zufrieden gewesen. Das
gepflegte weiße Haar hatte einen blauen Schimmer. Augen und Nase wie die
Tochter. Die Haut schien noch recht straff zu sein. Nur das zu stark
aufgetragene Make-up störte etwas. Man konnte nicht sagen, daß sie elegant war.
Ihre Art sich zu kleiden hatte irgendetwas Knalliges an sich, was zu dem
grellen Make-up paßte. Wie ein Relikt aus den 20er Jahre. Damals, auf dem
Höhepunkt ihrer Jugend, hatte sie sicher viel Erfolg gehabt zu den Klängen der
ersten Jazzbands. Ich hatte von der großbürgerlichen Schicht des Marais gehört.
Vielleicht gehörte sie dazu; aber sie besaß nicht diese steife Vornehmheit, die
ich — zu Recht oder zu Unrecht — mit den Vertreterinnen dieser Schicht
verbinde. Auf den ersten Blick jedenfalls erschien sie mir deshalb nur um so sympathischer. Nicht für zwei Pfennig kompliziert. Wir
wurden auf der Straße vorgestellt, einfach so, ganz zwanglos.
    Odette und ich hatten ein Taxi
genommen. Wegen eines Verkehrsstaus, der ewig zu dauern schien, konnte man aber
nicht in die Rue de Thorigny

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