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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Augenblick, weil...
hinterher... Aber jetzt war ich nicht so entsetzt wie vorher, als er mich
geküßt hatte... Und ich habe sogar...“
    Ihre Stimme wurde immer leiser:
    „Ich frage mich, wie ich so was
fertigbringen konnte...“
    „Was denn?“
    „Ich habe ihm den Mund
abgewischt... Man sollte nicht merken, daß eine Frau... Mein Taschentuch hab
ich danach in einen Gully geworfen... als ich zum zweiten Mal weggelaufen bin...nachdem
Sie versucht hatten, mich am Fuß zu erwischen...ich hab mir Ihr Gesicht nicht
genau angesehen, aber es hat sich mir eingeprägt, und eben, als wir uns wieder
gegenüberstanden...“
    Sie stieß einen tiefen Seufzer
aus:
    „So! ... Jetzt hab ich Ihnen alles
erzählt... Ich weiß gar nicht, warum... Ich glaub, es hat mich... erleichtert.“
    „Den Eindruck hab ich auch.
Aber Sie hätten sich schon viel früher erleichtern können.“
    „Früher?“ wiederholte sie.
    „Am selben Tag. Indem Sie die
Polizei benachrichtigt hätten.“
    Mit schreckgeweiteten Augen
rief sie:
    „Oh! Das konnte ich doch
nicht... Ich konnte nicht in ein Verbrechen verwickelt werden... auch nicht am
Rande... Ich bin verlobt... Mein zukünftiger Mann kommt aus einer der
konservativsten Familien des Marais. Wenn er jemals erführe... Nein, mir blieb
nichts übrig, als wegzulaufen und Gott zu bitten, es möge nie herauskommen, daß
ich an dem Tag bei diesem Mann gewesen war.“
    Sie lächelte schwach:
    „Bestimmt war meine Bitte nicht
leidenschaftlich genug, weil... jetzt...“
    „Lassen Sie Gott aus dem
Spiel“, riet ich ihr. „Er hat sowieso schon zuviel zu tun, bei seinem Alter...
Noch einen Schluck Armagnac?“
    „Ja... Jetzt kann ich mich nur
noch betrinken.“
    Ich reichte ihr noch einmal das
Glas, das sie eben nicht angerührt hatte. Sie trank, ich dachte nach. Als sie
das leere Glas auf den Schreibtisch stellte, sagte sie etwas. Aber ich war so
in meine Gedanken vertieft, daß ich den Sinn ihrer Worte nicht aufnahm. Wieder
zog sie an ihrem Rock. Dieses übertriebene Schamgefühl! Ich starrte auf ihre
Beine, ohne sie wirklich zu sehen. Aber das konnte das Mädchen ja nicht wissen.
Plötzlich schlug ich mir mit der rechten Faust in die linke Handfläche. „Der
Riegel!“ rief ich. „Die Schlüssel!“
    „Was?“
    „Nichts. Ich hab mit mir selbst
gesprochen. Was haben Sie gerade gesagt? Entschuldigen Sie bitte, ich hab eben
nicht zugehört.“
    „Ich hab Sie gefragt, was Sie
jetzt zu tun gedenken?“ fragte sie mit leiser, besorgter Stimme.
    „Erst mal werd ich Ihnen noch
ein paar Fragen stellen.“
    „Ich hab Ihnen doch schon alles
erzählt.“
    „Das spielt keine Rolle. Ein
Detektiv muß immer Fragen stellen.“
    „Ich hab Cabirol nicht
getötet.“
    „Ich weiß. Ich weiß auch, daß
nicht Sie mich niedergeschlagen haben.“
    „Sondern?“
    „Hören Sie... Als Sie zum
ersten Mal aus Cabirols Wohnung geflüchtet waren, nachdem Sie ihn abgewehrt
hatten, ihn und seine Vertraulichkeiten...“
    Komisch! Was der alte Gauner
getan hatte, war immer irgendwie vertraulich gewesen!
    „...Wieviel Zeit haben Sie da
etwa gebraucht, um die Treppe hinunter- und mir in die Arme zu laufen? ... An
dem Tag waren sie wohl zu so was ausersehen, hm?“
    „Wie soll ich das wissen?“
    „Sind Sie direkt
runtergelaufen?“
    „Tja...vielleicht bin ich in
der ersten Etage stehengeblieben... um Atem zu holen... mich etwas zu beruhigen...
schon möglich...“
    „Gut. Kommen wir noch mal auf
das erste Mal zurück — das erste Mal an dem Tag! War die Tür verschlossen?“
    „Nein, wie immer. Man brauchte
nur den Türknauf zu drehen und hineinzugehen.“
    „Sind Sie sicher?“
    Irgendetwas stimmte da nicht.
    „Sie war nicht verschlossen.“
    „Gut. Sie gehen also hinein.
War er im vorderen Zimmer oder hinten?“
    „Ich hatte das Gefühl, daß er
aus seiner Wohnung kam.“
    „Sehr gut. Ihr Besuch schien
ihm nicht zu gefallen, nicht wahr?“
    „Das war nur gespielt. Er...“
    „Das war nicht gespielt. Sie
haben ihn gestört. Er war nämlich nicht alleine. Eine Konferenz, wenn man das
so nennen kann. Und diese Konferenz machte ihn nervös. Deshalb wollte er sich
an Ihnen abreagieren. Letztlich hätte er nicht mehr gewagt als diesen Kuß,
verstehen Sie? Die Umstände erlaubten es nicht.“
    „Versteh ich nicht.“
    „Sie kannten Cabirol zwar schon
lange, aber ein Spezialgebiet seines ,Berufs’ kannten
Sie nicht. Hoffe ich wenigstens.“
    „Ein Spezialgebiet? Ach ja, ich
verstehe. Er hat Geld verliehen,

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