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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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wie das Land seiner peinlichen Pinguine.
    „So!“ sagte ich zu Madame
Jacquier, als wir wieder auf der Rue Pastourelle standen. „Ich hoffe, Sie sind
jetzt überzeugt.“
    „Ja“, antwortete sie kleinlaut.
„Ach! Was für ein Mädchen! Was für ein Mädchen!“
    „Ich muß sie sehen. Und —
bitte! — sagen Sie nicht wieder, daß Ihnen das peinlich ist.“
     
    * * *
     
    Zum Teufel mit der Ehrbarkeit,
hm? Sie empfing mich in ihrem Schlafzimmer. Im Bett. Und das in Abwesenheit
ihrer Mutter, die wohl erst mal zum Riechsalz greifen mußte.
    Die Erschöpfung verlieh Odette
eine erregende Schönheit. Das leicht übermüdete Gesicht auf dem Kopfkissen
wurde von der zerzausten Pracht ihrer blonden Haare eingerahmt. Um ihre
fieberglänzenden Augen lagen tiefe Ringe. Ihre Nase ragte spitz hervor. Das
durchscheinende Negligé verbarg nichts von den anmutig gerundeten, hübsch
anzusehenden Brüsten. Und sie unternahm nichts, um meinem Blick diese angenehme
Aussicht zu entziehen. Dabei war sie sonst so prüde! Außer wenn sie sich von
ihrem zukünftigen Ehemann in einer verfänglichen Situation erwischen ließ.
    „Also“, begann ich, „Sie machen
ja schöne Geschichten!“
    „Das macht mich ganz krank“,
seufzte sie.
    „Das seh ich. Ihre Mutter hat
mir beinahe die Augen ausgekratzt. Sie dachte...“
    Ich erzählte ihr, was ihre
Mutter gedacht hatte. Das entlockte ihr nur ein trockenes, gleichgültiges
„Ach!“ Sie schien mit ihren Gedanken weit weg zu sein. Dann rutschte sie etwas
höher.
    „Ich bin ein Idiot“, seufzte
sie. „Ich hab den Kopf verloren. Ich... Dabei lag mir so viel an dieser Heirat.
Ich hätte wer weiß was getan...“
    „Sieht nicht so aus.“
    „Sie verstehen das nicht...
Können Sie auch nicht... Er drohte damit, alles zu verraten...“
    „Was verraten?“
    „Unser früheres Verhältnis.“
    „Wer?“
    „Jean.“
    „Mareuil?“
    „Nein. Er heißt auch Jean…“
    „Sehr praktisch“, lachte ich.
„Liebhaber und Ehemann haben denselben Vornamen. Man kann sich unbesorgt
gehenlassen.“
    „Seien Sie nicht so grausam...
Mein Gott! ...“
    Sie schluchzte los. Ich ließ
die Tränen kullern. Tat mir leid, aber nicht weh. Und ihr tat es gut.
    „Ich belästige Sie unnötigerweise“,
sagte ich, als sie sich wieder etwas beruhigt hatte. „Ich laß Sie jetzt
alleine. Ruhen Sie sich aus. Und versuchen Sie, nicht mehr daran zu denken.“
Ich reichte ihr die Hand. Sie hielt sie mit ihren schlanken Fingern fest.
    „Aber ich will doch, daß Sie
mich verstehen“, sagte sie flehend. Ihre schönen, jetzt feuchten Augen mit dem
grünen Schimmer sahen zu mir hoch.
    „Da gibt es nichts zu
verstehen.“
    „Ich bin keine Hure.“
    „Ich hab nichts gegen Huren.“
    „Aber ich bin keine... Hören
Sie mich an, bitte Sie hielt immer noch meine Hand fest. Rieb ihre Wange daran.
Parfümduft stieg mir in die Nase.
    „Sie haben mir doch nichts zu
sagen“, murmelte ich. „Doch“, beharrte sie. „Sie sollen mich verstehen... Ich
konnte nicht anders...wieder... Er hat noch meine Briefe... die wichtigsten...
Er hatte die Absicht, sie Jean zu geben... Jean Mareuil... Und mir lag doch so
viel an dieser Heirat... ich war zu allem bereit... ich sollte die Briefe
kaufen... und er wollte... sofort „Eine Anzahlung?“
    „Verachten Sie mich ruhig. Was
anderes hab ich nicht verdient.“
    Endlich ließ sie meine Hand
los. Sie verbarg ihr Gesicht im Kopfkissen. Schweigend betrachtete ich ihre
Körperformen unter der satinbezogenen Bettdecke, dann das einladende Zimmer,
sauber und wohlriechend. War es hier geschehen? Woanders hätte der
Firlefanzfabrikant die beiden ja nicht überraschen können. Madame Jacquier war
wohl weggegangen. Und die alte Angestellte zählte nicht.
    „Ich bin keine Hure“,
wiederholte Odette.
    Sie strampelte, richtete sich
dann auf.
    „Ich muß jetzt gehen“, sagte
ich. Dann, lächelnd:
    „Wenn ich gewußt hätte, daß man
Sie so leicht erpressen kann... Na ja, egal. Auf Wiedersehen.“
    „Auf Wiedersehen.“
    Sie hob einen Arm, um eine
blonde Haarsträhne aus ihrem Gesicht zu streichen. Bei der Bewegung rutschte
ihre rosarote Brust aus den Falten ihres Negligés. Meine Kehle wurde trocken,
mein Puls raste. Mich überkam ein großes Verlangen nach diesem Mädchen, das
sich mir so schamlos gelassen anbot. Ich...
    Nein. Es ging nicht.
    Als ich das Haus verließ, hatte
ich immer noch ihr Parfüm in der Nase.

12

Freitag, der 14.
     
    Die Zeitungen schrieben nicht
mehr viel über

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