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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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lassen sollen.“
    „Dann sind also Sie die einzige
und wahrhaft Schuldige. Aber Jammern hilft jetzt
nicht. Wie Sie schon sagten, wer auch der Schuldige ist, die Schuld bleibt
dieselbe. Mareuil wird seinen Entschluß nicht rückgängig machen. Aber ich bin
daran interessiert, daß Sie von meiner Aufrichtigkeit überzeugt sind. Sie haben
mir einen Auftrag gegeben. Ich will ihn ausführen. Nicht aus Liebe zur Arbeit,
sondern aus Mangel an Geld. Ich will Ihnen nämlich Ihren Scheck nicht zurückgeben.“
    „Das ist mir äußerst peinlich“,
wiederholte sie.
    „Für mich ist das auch nicht
gerade lustig“, sagte ich. „Also?“
    Es folgten fünf
Schweigeminuten, mit der Uhr gestoppt. Fünf Minuten können sehr lang sein.
    „Gehen wir“, seufzte Madame
Jacquier endlich. „Aber mir ist das äußerst peinlich.“
     
    * * *
     
    „Das ist mir äußerst peinlich“,
sagte auch Jean Mareuil.
    Ihnen fiel wohl allen nichts
anderes ein. Die Platte nutzte sich ab.
    Der Handel mit Scherzartikeln
aller Art machte Mareuil jun. und Co. nicht besonders fröhlich. Ein hübscher
junger Mann, stocksteif und unterkühlt. Wäre besser bei Borniol aufgehoben
gewesen. Ganz so, wie ich mir einen Schöpfer von Pinguinen zu
Vervielfältigungszwecken vorgestellt hatte. Allerdings schien die
Serienproduktion des polaren Schwimmvogels durch den Bruch der beiden Familien
gefährdet. Wie schön!
    Monsieur Mareuils Büro war eng,
düster und nüchtern. Es befand sich in einem Hinterhof in der Rue Pastourelle.
Man mußte erst durch mehrere Lagerräume, deren Regale mit Schachteln und
Artikeln aus buntem Papier vollgestopft waren.
    „Ich frage mich, warum ich Sie
empfange, Madame. Sie werden verstehen, daß es mir unmöglich ist... Mir ist das
alles äußerst peinlich...“
    Er sah mich an:
    „Wer ist dieser Herr?“
    Madame Jacquier verlor den
Boden unter den Füßen.
    „Sie... Sie kennen ihn nicht?“
    „Ich habe nicht die Ehre?“
    „Das ist nicht...?“
    Monsieur Mareuil lächelte.
Etwas traurig, aber vor allem hochmütig und verächtlich. Er konnte sich nicht
die Unverschämtheit verkneifen:
    „Es sind also mehrere! Da bin
ich ja noch mal gut davongekommen! Nein, Madame. Ich weiß nicht, was diese
lächerliche Komödie soll, aber das ist nicht der Herr, den ich in... galantem
Gespräch mit Ihrem Fräulein Tochter überrascht habe. Monsieur sieht nicht aus
wie ein Gauner...“
    Wollte er mir schmeicheln? Oder
mich ärgern? Das konnte ich noch nie auseinanderhalten.
    Madame Jacquier blieb vor
Entrüstung die Spucke weg: „Wie ein Gauner! Hören Sie, Monsieur...“
    Was kümmerte sie, ob die Kerle
im Bett ihrer Tochter Gauner waren oder nicht?
    Monsieur Mareuil seufzte:
    „Diese Unschuldsräuber...“
    Die Ausdrucksweise paßte zum
Sprecher.
    „...sehen alle wie Gauner aus.
Jedenfalls für einen, der auf der anderen Seite steht...“
    Er spielte mit einem
Parisartikel. Eine nackte Tänzerin. Das genaue Gegenstück zu dem Brieföffner,
mit dem Cabirol umgebracht worden war. Nur aus Kupfer.
    „...Und außerdem bin ich so
sehr daran gewöhnt, nichts als Gauner zu sehen, daß ich mich frage, ob es noch
andere gibt...“
    Ich beendete das Geschwätz:
    „Darf ich mir eine Bemerkung
erlauben, Monsieur?“
    „Bitte,
Monsieur... äh... Monsieur...?“
    „Burma. Nestor Burma. Privatdetektiv.“
    Er fuhr hoch: „Detektiv? ...
Aha! Ich verstehe
    Sein Lächeln verschönerte
wieder seine Lippen. Ein gehörnter Ehemann, schon vor der Hochzeit!
    Zu Madame Jacquier gewandt,
fuhr er fort:
    „Ich hoffe, gnädige Frau, Ihnen
kommt es nicht in den Sinn, mich mit Hilfe eines Privatdetektivs wegen
Eheversprechens zu belangen. Ich...“
    „Nichts dergleichen“,
unterbrach ich ihn. „Von mir aus kann sich jeder drücken. Aber Madame Jacquier
hat geglaubt, ich wäre der Grund
    „Sie waren nicht der Grund.“
    „Sehr schön. Das wäre alles. Na
ja, fast alles... Sie haben da nämlich gerade eine beleidigende Bemerkung
fallengelassen, die ich gern wieder aufnehmen möchte. Ich verstehe, Sie sind
wütend. Ich verstehe nicht, warum ich Mademoiselle Larchaut verteidige. Aber na
ja, so bin ich nun mal. Mademoiselle Larchaut hat nicht mehrere Liebhaber.
Einer soll wohl genügen.“
    „Vollauf“, lächelte er
gezwungen. „Ich entschuldige mich für diese Grobheit. Aber Sie werden
verstehen, daß mir das alles...“
    „...äußerst peinlich ist. Ich
weiß.“
    „Dann haben wir uns ja wohl
nichts mehr zu sagen.“
    Er brachte uns zur Tür, so
frostig

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