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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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stand kurz vor einem
Nervenzusammenbruch. Ich klopfte ihr beruhigend auf die Schulter. Nach und nach
kam sie wieder zu sich, wurde wieder Nestor Burmas unerschrockene Sekretärin,
die auf Schritt und Tritt Leichen aufscheucht wie Heuschrecken auf einer
blühenden Wiese. Ich konnte sie wieder sich selbst überlassen und eilte hinter
die Kulissen.
    Der Zugang zur Garderobe des
Akrobatenehepaars wurde von zwei Dienern bewacht.
    „Sie können hier nicht rein“,
belehrten sie mich.
    „Ist Miss Pearl da drin?“
    „Sie ist nach Lariboisière
gebracht worden.“
    „Weiß man schon Näheres?“
    „Noch nicht.“
    „Und Mario?“
    „Ist da drin. Darum dürfen Sie
nicht rein.“
    „Ich muß aber mit ihm sprechen.
Sagen Sie ihm, daß ich hier bin. Nestor Burma, der Privatdetektiv von heute
morgen.“
    Einer von den beiden Wächtern
ging hinein und kam mit Gustave wieder. Der dritte Mann sah mich neugierig an.
    „Kommen Sie“, sagte er.
    Mario saß auf dem Sofa und
stöhnte leise. Manchmal kam ein dumpfer Klagelaut von seinen blutleeren Lippen.
Ein Clown im paillettenbesetzten Kostüm und ein anderer Arbeitskollege standen
vor ihm und sahen ihn fassungslos an. Mario betrachtete mit gesenktem Kopf ein
großes Glas Schnaps auf seinen Knien, ohne es zu sehen. Als ich näherkam, hob
er den Kopf.
    „Salut, Flic“, stammelte er.
„Ich bin ja so schlau! Ein dummes Schwein bin ich, ein Arschloch! Sie sind doch
Flic, nehmen Sie das Schwein fest, der das gemacht hat.“
    „Ist gar nicht so falsch“,
sagte ich. „Sie wollte mit mir sprechen, Mario. Jetzt kann sie’s nicht mehr.“
    Panik in den Augen, rief er:
    „Ist sie...tot?“
    „Weiß ich nicht. Jedenfalls ist
sie gefallen. Gut gemacht, hm?“
    Er fuhr hoch:
    „Was? ... Glauben Sie,
daß...daß ich sie umgebracht habe?“
    Die Anwesenden waren genauso
bestürzt wie er. Das Gesicht des Clowns verzog sich unter der ausgefallenen
Maske zu einer lustigen Grimasse. War aber gar nicht zum Lachen.
    „...Herrgott nochmal!“ stöhnte
Mario auf. „Warum hätte ich das tun sollen?“
    „Jacquier“, sagte ich.
    „Wie?“
    „Er hat mit ihr geschlafen. Als
du das in London oder sonstwo gemerkt hast, warst du alles andere als
begeistert. Darum hast du Jacquier umgebracht. Heute morgen hast du mir Märchen erzählt. Pearl wollte mit mir sprechen. Unter vier Augen.
Hat sich quasi mit mir hier verabredet. Du hast sie mundtot gemacht…“
    „Jetzt reicht’s aber“, rief
Gustave. „Was soll das Ganze? Jacquier... den Namen hab ich schon ‘mal
gehört... Aber mir ist nicht klar...“
    Ich klärte ihn auf. Er rief
überrascht aus:
    „Also, Sie suchen Jacquier?“
    „Ja.
    „Dann suchen Sie mal woanders.
Und regen Sie den armen Kerl hier nicht noch mehr auf. Es stimmt, letzten
November hat dieser Jacquier Pearl den Hof gemacht, hat ihr geschrieben usw.
Hat sogar die Absicht geäußert, uns hinterherzufahren. Aber das hat er dann
nicht gemacht.“
    „Mario hat genau das Gegenteil
behauptet. Erst heut morgen.“
    „Mario?“
    „Hört mal“, meldete sich
dieser. „Ich bin ein dummes Schwein. Ein Arschloch bin ich. Schuld daran ist
nur das Scheißgeld. Verdammt nochmal! Wenn ich gewußt hätte... Ich hab Pearl
nicht umgebracht Schwankend stand er auf.
    „...Sie war dagegen... Sie
wollte nicht, daß ich mitmachte... Hab nicht auf sie gehört... Darum war sie so
nervös... und weil sie so nervös war... Versteht ihr? Sie war nicht voll bei
der Sache... Hat den Sprung verpatzt und ist abgeschmiert... Wegen diesem
verdammten Scheißgeld...“
    „Welches Geld?“
    „Was ich kassiert habe.“
    „Wann?“
    „Heute morgen. Ein ganzer Packen.
Hunderttausend Francs. Hab damit meine Schulden bezahlt... Können Sie fragen,
ob das stimmt oder nicht...ob ich meine Schulden bezahlt habe... na j a,
einige...“
    „Ich weiß.“
    „Ach ja? Gut. Und dann war da
noch dieser Anruf.“
    „Welcher Anruf?“
    „Jemand hat angerufen und mir
gesagt, was ich machen mußte für das Geld, das für mich in La Piste lag.“
    „Jaja. Wenn man Sie nach
Jacquier fragt, antworten, daß er Ihnen ins Ausland gefolgt ist und Sie ihn
dort aus den Augen verloren haben. Stimmt’s?“
    „Stimmt genau.“
    „Und Sie haben mitgemacht!“
    „Na klar! Hundert Riesen! Ist
nicht die Welt, aber in dem Augenblick kam mir das verdammt nochmal sehr
zupaß.“
    „Hornochse! Sie wissen wohl
nicht, was ein Schlitzohr ist? Das war genau der richtige Augenblick! Hätten
daraus ‘ne positive Eigenschaft machen

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