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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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eine
Menschenmenge mit den dazugehörigen Flics den Ort hier belagerte, wollte ich
mich aus dem Staub machen. Im entgegengesetzten Fall auch.
    Die zehn Minuten waren vorbei.
Noch weitere fünf. Schwankend ging ich hinunter, um nach Latuit zu sehen. Jetzt
war er völlig zerknittert. Ich leerte seine Taschen und drückte ihm einen
Hundertfrancschein in die Hand. Dann machte ich, daß ich rauskam. Den Revolver
mit dem Schalldämpfer nahm ich mit. Den hatte der Tote sich bestimmt nicht in
Fresnes besorgt.
     
    * * *
     
    Sonntags erscheinen keine
Zeitungen. Aber sie bringen alle eine mehr oder weniger sportliche Wochenendausgabe
heraus. Im Crépuscule las
ich:
     
    Roger
Latuit, der aus der Haftanstalt in Fresnes ausgebrochen war und bisher nicht
wieder gefaßt werden konnte, wurde das Opfer einer Abrechnung der Unterwelt.
Seine Leiche wurde in der Ruine der Tour Barbette gefunden. Wie jetzt bekannt
wurde, war Latuit der Mörder von Samuel Cabirol, dem Pfandleiher und Hehler aus
der Rue des Francs-Bourgeois. Offenbar hatte er sich nach dem Mord in der Ruine
versteckt, um der Rache der Unterwelt zu entgehen. Aber man hat ihn aufgespürt.
Latuit wurde aus seinem Loch vertrieben, als die Leiche von Maurice Badoux, dem
harmlosen Schatzsucher, gefunden wurde. Wo er sich seitdem aufgehalten hat, ist
nicht bekannt. Möglicherweise hat Latuit auch mehrere Einbrüche im Marais begangen.
    Die
Polizei, die sich bis jetzt mit Informationen zurückgehalten hat, kann heute
über diese geheimnisvollen Ereignisse ihr Schweigen brechen. So steht
inzwischen fest, daß es sich bei Maurice Badoux nicht nur um einen Unfall
handelte. Der junge Gelehrte wurde von Latuit verletzt. Vielleicht hätte er
überlebt, wäre er nicht der Sicherheit des Verbrechers geopfert worden. Einer
sehr wackligen Sicherheit, denn die Unterwelt hat ihre eigene „Polizei“, die
leider manchmal der Polizei der anständigen Leute überlegen ist. Latuit, der
Cabirol vermutlich deshalb umgebracht hat, weil dieser ihm eine vor Haftantritt
anvertraute Summe nicht wiedergeben konnte, stand auf der „Liste“. Cabirol
hatte sozusagen die Interessen der mächtigen Banden vertreten. Für diese organisierten
Banden mußte sein Ableben die nachteiligsten Folgen haben, wie man an dem
Beispiel der Gang von Henri Drouillet gesehen hat. Also mußte Roger Latuit
büßen. Eine Banknote in der Hand des Toten deutet auf diese Art Abrechnung hin.

14

Nylonslip und
Teddybär
     
    Als ich am Montagmorgen in die
Agentur kam, blitzte mich Hélène mit ihren ausdrucksvollen Augen an:
    „Hab’s in der Zeitung gelesen“,
sagte sie. „Das hat sich ja mit einem Schlag erledigt!“
    „Mit einem Schlag, ja.“
    Ich ging weiter in mein Büro,
legte einen Revolver und ein Foto auf den Tisch, dazu eine rosa Papiertüte mit
der hellblauen Aufschrift ROSY-ANNE, Damenunterwäsche,
Strümpfe. Ich setzte mich, stopfte mir eine Pfeife, betrachtete
Pistole, Foto und Nylonslip, legte alles in eine Schublade. Nur die Pfeife
behielt ich im Mund. Dann schnappte ich mir den Telefonhörer. Das schüchterne,
leise „Hallo“ am anderen Ende der Strippe kam von Odette.
    „Hier Nestor Burma.“
    „Oh! ... Guten... Guten Tag...
ich...“
    „Ja. Sie haben jetzt nichts
mehr zu befürchten.“
    Schweigen.
    „Hallo? Sind Sie noch dran?“
fragte ich.
    „Ja.“
    „Kommen Sie bitte zu mir ins
Büro. Ich hab hier noch was für Sie.“
     
    * * *
     
    Zusammen mit einem
frühlingshaften Sonnenstrahl drang das Geräusch heiterer Betriebsamkeit von der
Rue des Petits-Champs durchs offene Fenster. Irgendwo zwitscherte ein
Kanarienvogel in seinem Käfig.
    Sie trug ein gutgeschnittenes
schwarzes Kostüm. Eins von den Modellen mit seitlich geschlitztem Rock, unter
dessen Jacke nichts oder fast nichts getragen wird. Ein tiefes Dekolleté,
hübsch, vielversprechend. Hübsche Beine, hübsches Gesicht.
    „Sie haben doch sicher Zeitung
gelesen, oder?“
    „Ja. Ich..“
    „Das wär also erledigt.
Verlangen Sie bitte keine Erklärungen von mir. Begnügen Sie sich mit dem, was
in den Zeitungen steht. Aber ich wollte es Ihnen nochmal unter vier Augen
sagen: der Alptraum sollte vorbei sein.“
    „Ich...ich weiß nicht,
wie...ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“
    „Sagen Sie lieber nichts.
Könnte ‘ne Lüge werden.“
    „Lüge?“
    Ich lächelte:
    „Wie allgemein üblich. Sie
haben mich ein ganz klein wenig belogen. Ich hab Sie ein ganz klein wenig
belogen. Also...“
    „...sind wir quitt?“
    „Fast. Sie

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