Marc Levy
nicht nehmen und erklärte ihm, dass sie überhaupt nichts greifen könne. Am anderen Ende der Leitung wurde Paul langsam ungeduldig und fragte Arthur, mit wem er überhaupt rede.
Arthur lächelte siegessicher und schaltete auf »Freisprechen«.
»Hörst du mich, Paul?«
»Ja, ich höre dich. Sag mal, was wird daraus, wenn es fertig ist? Ich würde gern schlafen.«
»Ich würde auch gern schlafen, sei mal einen Moment still.
Sagen Sie etwas, Lauren, sprechen Sie jetzt mit ihm!«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Wenn Sie wollen. Hallo, Paul, Sie können mich sicher nicht 40
verstehen, Ihr Freund aber leider auch nicht.«
»Also, Arthur, wenn du mich anrufst, um mir
nichts zu sagen, dann ist das wirklich eine etwas unpassende Uhrzeit.«
»Antworte ihr.«
»Wem?«
»Der Person, die eben mit dir gesprochen hat.«
»Du bist die Person, die gerade mit mir gesprochen hat, und ich antworte dir.«
»Hast du sonst niemanden gehört?«
»Sag mal, du bist ein bisschen überarbeitet, was?«
Lauren sah ihn mitleidig an.
Arthur schüttelte den Kopf; wenn die beiden unter einer Decke steckten, würde er das sicher nicht so leicht herausbekommen. Über den Lautsprecher hörten sie Paul noch einmal fragen, mit wem er spreche. Arthur bat ihn, das alles zu vergessen, und entschuldigte sich dafür, dass er so spät angerufen hatte. Beunruhigt fragte Paul, ob alles in Ordnung sei, ob er vielleicht vorbeikommen solle. Arthur versicherte ihm, es sei alles bestens, und bedankte sich.
»Keine Ursache, Kumpel, weck mich, wann du willst, um mir deinen Blödsinn zu erzählen, tu dir bloß keinen Zwang an, wir sind Partner durch dick und dünn. Wenn du also wieder mal ein so dringendes Problem hast wie dieses, dann ruf mich einfach mitten in der Nacht an, und wir stehen das zusammen durch. Voilá, kann ich jetzt wieder einschlafen, oder gibt es noch was?«
»Gute Nacht, Paul.«
Sie legten auf.
»Kommen Sie mit mir ins Krankenhaus. Wir könnten längst dort sein.«
»Nein, ich werde nicht mitkommen, denn wenn ich aus dieser Tür treten würde, hieße das bereits, dass ich Ihrer abenteuerlichen Geschichte Glauben schenke. Ich bin müde, 41
wissen Sie, und ich möchte gerne schlafen gehen, also entweder legen Sie sich jetzt in mein Bett, und ich nehme das Sofa, oder Sie verschwinden von hier. Das ist mein letztes Angebot.«
»Also gut, da ist jemand noch dickköpfiger als ich, Sie haben gewonnen. Gehen Sie ruhig in Ihr Zimmer, ich brauche kein Bett.«
»Was wollen Sie jetzt tun?«
»Was kümmert Sie das?«
»Es kümmert mich eben.«
»Ich bleibe hier im Wohnzimmer.«
»Bis morgen früh, und dann ...«
»Ja, bis morgen früh, und danke für Ihre reizende Gastfreundschaft.«
»Sie kommen nicht in mein Zimmer, um mich
auszuspionieren?«
»Da Sie mir ja nicht glauben, brauchen Sie nur
abzuschließen, und falls Sie sich Sorgen machen, weil Sie nackt schlafen: Ich habe Sie sowieso schon gesehen, wie Sie wissen!«
»Ich dachte, Sie wären keine Voyeurin.«
Sie erinnerte ihn daran, dass sie vorhin im Bad nicht nur keine Voyeurin, sondern auch noch blind hätte sein müssen, um ihn nicht zu sehen. Er wurde rot und wünschte ihr eine gute Nacht. »Ganz genau, gute Nacht, Arthur, träumen Sie süß.«
Arthur ging in sein Zimmer und knallte die Tür zu. »Was für eine idiotische Geschichte«, knurrte er. Er warf sich aufs Bett.
Die grünen Leuchtziffern seines Radioweckers zeigten ein Uhr dreißig. Bis zwei Uhr elf schaute er ihnen zu, wie sie Minute für Minute vorrückten. Dann sprang er auf, zog sich einen dicken Pulli, eine Jeans und Socken an und trat kurz entschlossen ins Wohnzimmer. Lauren saß im Schneidersitz auf dem Fensterbrett.
»Ich liebe diesen Blick, Sie auch?« sagte sie, ohne sich 42
umzuwenden. »Darum war ich auch so scharf auf die Wohnung. Ich liebe diese Brücke, ich liebe es, im Sommer das Fenster zu öffnen und die Signalhörner der Frachter zu hören.
Und ich wollte immer die Wellen zählen, die sich an ihrem Bug brechen, bis sie die Golden Gate passieren.«
»Lassen Sie uns gehen«, war seine einzige Antwort.
»Wirklich? Was hat Sie auf einmal überzeugt?«
»Ich kann nicht schlafen, und da die Nacht sowieso hin ist, lassen Sie uns das Problem besser heute noch lösen, morgen muß ich nämlich arbeiten. Gehen wir also lieber gleich.
Beeilen Sie sich.«
»Gehen Sie schon vor, ich komme nach.«
»Und wohin kommen Sie nach?
»Ich komme nach, vertrauen Sie mir nur mal ein ganz kleines
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