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Marc Levy

Marc Levy

Titel: Marc Levy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solange du da bist
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begünstigt, konnten sie sich bald einen Namen machen und nahezu zwanzig Mitarbeiter einstellen. Paul kümmerte sich »ums Geschäftliche«, Arthur entwarf - Möbel, Industriegebäude, Wohnhäuser und Objekte. Jeder hatte seinen Bereich, nie lag irgendein Schatten über ihrer Zusammenarbeit, und nichts und niemand konnte die beiden Freunde für mehr als ein paar Stunden trennen.
    Sie hatten vieles gemeinsam: ihre Vorstellung von Freundschaft, ein bestimmtes Lebensgefühl, und sie hatten eine ähnliche Kindheit gehabt, mit vergleichbaren Erfahrungen, mit demselben Verlust.
    Wie Paul war Arthur von seiner Mutter großgezogen worden. Während Pauls Vater, als der Junge fünf Jahre alt war, seine Familie auf Nimmerwiedersehen verlassen hatte, war Arthurs Vater nach Europa aufgebrochen, als sein Sohn gerade drei war. »Sein Flugzeug ist so hoch in den Himmel geflogen, dass es an den Sternen hängengeblieben ist.«
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    Beide waren auf dem Land aufgewachsen. Beide waren sie auf dem Internat gewesen. Ganz allein waren sie zu Männern geworden.
    Lilian hatte lange gewartet und dann einen Strich unter die Vergangenheit gezogen, wenigstens scheinbar. Die ersten zehn Jahre seines Lebens verbrachte Arthur fern der Großstadt, am Meer, in der Nähe des malerischen kleinen Ortes Carmel, wo Lili, das war der Kosename, den er seiner Mutter gegeben hatte, direkt am Ozean ein großes Haus besaß. Ganz aus weißem Holz gebaut, lag es hoch über dem Wasser inmitten eines riesigen Gartens, der sich bis zum Strand hinunter erstreckte. Antoine, ein alter Freund seiner Mutter, lebte in einem Anbau des Hauses. Irgendwie hatte es den Künstler dorthin verschlagen, und Lili hatte ihn aufgenommen,
    »aufgelesen«, wie die Nachbarn sagten. Zusammen unterhielten sie den Park, die hölzernen Zäune und Außenwände des Hauses, die nahezu jedes Jahr frisch gestrichen wurden, und führten lange abendliche Gespräche.
    Als Freund und Komplize stellte Antoine für Arthur die männliche Bezugsperson dar, die einige Jahre zuvor aus seinem Leben verschwunden war.
    Jene Jahre sollten ihm für immer unvergesslich bleiben.
    Seine Mutter war zugleich seine beste Freundin, und sie zeigte ihm alle die schönen Dinge des Lebens. Manchmal weckte sie ihn morgens in aller Frühe, nur damit er lernte, den Sonnenaufgang zu bewundern und den Geräuschen des erwachenden Tages zu lauschen. Sie lehrte ihn die Vielfalt der Blumen bestimmen und brachte ihm bei, wie er allein an der Form eines Blattes erkennen konnte, zu welchem Baum es gehörte. Sie führte ihn durch den großen Park und ließ ihn jedes Detail einer Natur entdecken, in die sie an manchen Stellen ordnend eingriff, um ihr an anderen freien Lauf zu lassen. Im Frühjahr und im Herbst ließ sie ihn die Namen der Vögel aufsagen, die auf ihrer langen Reise hier vorüberzogen 128
    und in den Wipfeln der Sequoien eine kleine Rast einlegten.
    In dem Küchengarten, den Antoine liebevoll hegte, durfte er die wie durch Zauberei emporgeschossenen Gemüse ernten.
    »Nur die, die schon so weit sind«. Oder sie saßen am Wasser und zählten die Wellen, die an manchen Tagen zärtlich die Felsen umspielten, als wollten sie sie für ihren gewaltigen Ansturm zu anderen Zeiten um Verzeihung bitten. »Damit du den Atem des Meeres spürst, seine Kraft, die Laune, die es heute hat. Das Meer trägt unseren Blick, die Erde unsere Schritte«, sagte Lili. Sie brachte ihm bei, wie man an der Art, in der sich Wind und Wolken vereinen, erkennen konnte, wie das Wetter werden würde, und nur selten täuschte sie sich dabei.
    Arthur kannte jedes Fleckchen dieses Gartens, er hätte sich mit geschlossenen Augen darin bewegen können. Jeder Baum hatte seinen Namen, und jedes Tier, das beschloss, dort für immer einzuschlafen, sein Grab. Doch mehr als alles andere hatte er von ihr gelernt, die Rosen zu lieben und sie zu pflegen.
    Der Rosengarten mit seinen Hunderten von Düften war ein magischer Ort. Lili nahm ihn mit dorthin, um ihm Geschichten von Kindern zu erzählen, die gerne erwachsen sein wollten, und von Erwachsenen, die davon träumten, wieder ein Kind zu sein.
    An einem Morgen zu Beginn des Sommers war sie bei Tagesanbruch in sein Zimmer gekommen, hatte sich auf die Bettkante gesetzt und war ihm durchs Haar gefahren.
    »Komm, mein Arthur, steh auf.«
    Der Junge hatte die Finger seiner Mutter genommen, sie fest in seiner kleinen Hand gehalten und sich umgedreht, die Wange in ihre Handfläche geschmiegt. Sein Gesicht erstrahlte in

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