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Marc Levy

Marc Levy

Titel: Marc Levy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solange du da bist
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erschrocken.
    »Verstehst du«, fügte sie, nun wieder sanfter, hinzu, »du wirst mich ertrinken lassen.«
    Da fing der kleine Arthur an zu weinen. Mit dem Rücken ihres Zeigefingers sammelte Lili die Tränen von seiner Wange.
    »Manchmal können wir einfach nicht tun, was wir möchten, was uns notwendig erscheint oder wozu es uns drängt, und das quält uns entsetzlich. Dieses Gefühl wird dich dein ganzes Leben lang begleiten, manchmal wirst du es vergessen, manchmal wirst du wie besessen davon sein. Wie glücklich wir unser Leben meistern, hängt auch davon ab, ob wir gegen unsere Ohnmacht anzukämpfen verstehen. Das ist schwer, weil Ohnmacht oft auch Angst hervorbringt. Sie vermindert unsere Reaktionsfähigkeit, trübt unser Denkvermögen und unseren gesunden Menschenverstand und bereitet so der Schwäche den Weg. Du wirst noch viele Ängste kennen lernen. Kämpfe gegen sie an, aber ersetze sie nicht durch allzu langes Zögern.
    Überlege, entscheide und handle!
    Lass die Welt, lass deine Welt sich drehen! Sieh diese Landschaft an, die vor dir liegt, sieh, wie fein die Küste 132
    ziseliert ist, wie eine kostbare Spitze, könnte man meinen, und all die schillernden Lichtpunkte darin, die die Sonne hineinwebt. Jeder Baum wiegt sich in seinem eigenen Takt unter dem sanften Hauch des Windes.
    Doch das Allerschönste auf der Welt, das, was uns als Menschen auszeichnet, ist die Freude, zu teilen. Wer nicht teilen kann, ist unfähig, seine Gefühle zu leben. Siehst du, Arthur, dieser frühe Morgen, den wir zusammen verbringen, wird sich in dein Gedächtnis eingraben. Später, wenn ich nicht mehr da sein werde, wirst du daran zurückdenken, und die Erinnerung wird süß sein, weil wir diesen Moment gemeinsam erlebt haben.
    Wenn ich ins Wasser fiele, dann würdest du nicht hinterher springen, um mich zu retten, das wäre eine Dummheit. Du würdest mir die Hand hinstrecken und mir helfen, wieder ins Boot zu klettern, und wenn du es nicht schaffen würdest, und ich ertrinken würde, so brauchtest du dir doch keine Vorwürfe zu machen. Du hättest die richtige Entscheidung getroffen, dein Leben nicht sinnlos zu riskieren, und dennoch hättest du alles versucht, um mich zu retten.«
    Während der Junge ans Ufer ruderte, nahm sie seinen Kopf in ihre Hände und küsste ihn zärtlich auf die Stirn.
    »Habe ich dir weh getan?«
    »Ja, aber du wirst niemals ertrinken, wenn ich dabei bin.
    Und ich würde trotzdem ins Wasser springen, ich bin nämlich sehr wohl stark genug, um dich rauszuholen.«
    Lili starb ebenso elegant, wie sie gelebt hatte. Am Morgen ihres Todes war der Junge an das Bett seiner Mutter getreten.
    »Warum?«
    Der Mann neben dem Bett sagte nichts, er hob den Blick und sah das Kind an.
    »Wir hatten uns so lieb, wieso hat sie mir nicht auf Wiedersehen gesagt? Ich hätte so etwas nie getan. Warum ist sie einfach gegangen, während ich schlief?«
    133
    Ein Blick aus Kinderaugen weckt oft so weit zurückliegende Erinnerungen in uns, dass wir nicht umhinkönnen, ihnen eine Antwort zu geben.
    Antoine legte ihm die Hände auf die Schultern.
    »Sie konnte nicht anders, man bittet den Tod nicht zu kommen, er kommt, wann er will. Deine Mutter ist mitten in der Nacht mit furchtbaren Schmerzen aufgewacht, sie wartete auf den Sonnenaufgang, doch obwohl sie mit aller Macht wach bleiben wollte, ist sie langsam eingeschlafen.«
    »Also ist es meine Schuld, ich habe geschlafen.«
    »Nein, natürlich nicht, so darfst du es nicht sehen, willst du den wahren Grund wissen, warum sie gegangen ist, ohne sich zu verabschieden?«
    »Ja.«
    »Deine Mutter war eine große Dame, und alle großen Damen verstehen es, würdevoll abzutreten und die, die sie lieben, sich selbst zu überlassen.«
    Der Junge sah in den Augen des Mannes, wie bewegt er war.
    Mit den Blicken folgte er der Träne, die sich zwischen den Bartstoppeln hindurch seine Wange hinunterschlängelte. Der Mann fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen.
    »Du siehst mich weinen, das solltest du auch tun, die Tränen nehmen der Trauer den Schmerz und spülen ihn weit fort.«
    »Ich werde später weinen«, sagte der kleine Mann, »dieser Schmerz verbindet mich noch mit ihr, ich will ihn noch eine Weile bewahren. Sie war mein ganzes Leben.«
    »Nein, mein Kleiner, dein Leben liegt vor dir, nicht in deinen Erinnerungen, das ist es, was sie dir beigebracht hat.
    Halte dich daran, Arthur, vergiss nie, was sie dir gestern noch gesagt hat: >Jeder Traum hat seinen Preis.< Mit ihrem

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