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Marc Levy

Marc Levy

Titel: Marc Levy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solange du da bist
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nach Carmel gehen, um das Haus wieder zu sehen?«
    »Nein, noch nicht, noch lange nicht.«
    »Weshalb?«
    »Sie weiß, warum, es ist ein Geheimnis.«
    Die Leiterin erhob sich und forderte auch ihn dazu auf. Als sie an der Tür ihres Büros angekommen waren, nahm sie ihn in 139
    die Arme und drückte ihn fest an sich. Sie schob ihm einen Umschlag in die Hand und schloss seine Finger darüber.
    »Der ist von ihr«, flüsterte sie ihm ins Ohr, »für dich. Sie hat mich gebeten, ihn dir in genau diesem Augenblick zu übergeben.«
    Sie öffnete die beiden Türflügel, und Arthur trat auf den Flur hinaus. In einer Hand hielt er die langen, schweren Schlüssel, in der anderen den Brief. Ohne sich noch einmal umzusehen, bog er vom Gang auf die breite Treppe. Die schwere Tür zum Büro der Direktorin schloss sich leise.
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    Das Auto durchquerte die letzten Minuten dieser langen Nacht. Seine Scheinwerfer beleuchteten die Streifen der Fahrbahnbegrenzung, die die ins Felsgestein gehauenen Kurven und die von Sumpf auf der einen und verlassenen Stränden auf der anderen Seite eingerahmten geraden Strecken markierten. Lauren war eingenickt, Paul fuhr schweigend, auf die Straße konzentriert und in Gedanken versunken. Arthur nutzte diesen ruhigen Moment, um unbemerkt den Umschlag aus seiner Tasche zu ziehen, den er dorthin gesteckt hatte, als er das Bund mit den langen, schweren Schlüsseln aus dem Sekretär genommen hatte.
    Als er den Brief öffnete, entströmte dem Kuvert jener Duft voller Erinnerungen, die Mischung zweier Essenzen, die seine Mutter immer in dem großen gelben Kristallflakon mit dem mattsilbernen Verschluss zusammengegossen hatte. Er zog den Brief heraus und entfaltete ihn vorsichtig.

    Mein großer Arthur,

    Wenn Du diese Zeilen liest, dann hast Du Dich endlich entschlossen, den Weg nach Carmel einzuschlagen. Ich wüsste zu gerne, wie alt Du jetzt bist.
    In Deinen Händen hast Du die Schlüssel zu dem Haus, in dem wir so schöne Jahre miteinander verbracht haben. Ich wusste, dass Du nicht sofort dorthin zurückkehren würdest, dass Du warten würdest, bis Du Dich bereit fühlst, es aus seinem Schlaf zu erwecken.
    Mein Arthur, bald wirst Du durch jene Tür gehen, deren Knarren mir so vertraut ist. Ein wenig Wehmut im Herzen, wirst Du nacheinander alle Zimmer betreten. Einen nach dem anderen wirst Du die Fensterläden aufstoßen und das Sonnenlicht hereinlassen, das mir so sehr fehlen wird. Geh 141
    auch in den Rosengarten, aber nähere Dich den Stöcken vorsichtig. Nach all den Jahren sind sie sicherlich verwildert.
    Du wirst auch mein Büro betreten, Dich dort einrichten. Im Wandschrank findest Du einen kleinen schwarzen Koffer. Öffne ihn, wenn Du Lust und die Kraft dazu hast. Du findest darin Hefte, deren Seiten ich an jedem Tag Deiner Kindheit für Dich beschrieben habe.
    Dein Leben liegt vor Dir, Du allein hast es in der Hand.
    Halte die Dinge in Ehren, die wir gemeinsam geliebt haben.
    Ich liebe Dich von hier oben und wache über Dich.

    Deine Mama, Lili

    Als sie die Bucht von Monterey erreichten, brach der Morgen an. Der Himmel überzog sich mit langen
    geschwungenen Bändern von blassrosa Seide, die an manchen Stellen über dem Horizont das Meer zu berühren schienen.
    Arthur wies Paul den Weg. Jahre waren vergangen, nie hatte er vorne gesessen, wenn sie diese Strecke gefahren waren, und doch schien ihm jeder Kilometer vertraut, hinter jedem Zaun, jedem Tor, an dem sie vorüber kamen, erwarteten ihn die Bilder seiner Kindheit. An der Stelle, an der sie von der Hauptstraße abbiegen mussten, gab er Paul ein Zeichen. Hinter der nächsten Kurve würde man die Grenzen des Grundstücks schon sehen können. Paul folgte seinen Anweisungen; sie kamen auf einen von den Regengüssen des Winters ausgewaschenen und von der sommerlichen Hitze
    hartgebrannten Feldweg. Hinter einer Biegung erhob sich vor ihnen das grüne, schmiedeeiserne Tor.
    »Wir sind da«, sagte Arthur.
    »Hast du die Schlüssel?«
    »Ich werde aufschließen, fahr bis zum Haus hinunter und warte dort auf mich. Ich komme zu Fuß nach.«
    »Geht sie mit dir, oder bleibt sie im Auto?«
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    Arthur beugte sich zum Fenster und erwiderte mit ruhiger Stimme:
    »Du kannst sie auch direkt ansprechen!«
    »Nein, lieber nicht.«
    »Ich lasse dich allein«, sagte Lauren, zu Arthur gewandt,
    »ich glaube, das ist zunächst einmal besser.«
    Arthur lächelte und sagte zu Paul:
    »Sie kommt mit dir, du Glücklicher!«
    Das Auto entfernte sich in einer

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