Marco Polo der Besessene 1
geringfügige Bestrafung für ein noch geringfügigeres Vergehen. Nur solltet Ihr deshalb mir gegenüber nicht voreingenommen sein, gütige Herren. Denn ich biete, abgesehen von diesen Dingen, auch zahllose Vorteile. Wie Ihr selbst seht, bin ich sonst ein durchaus annehmbarer Mann. Von Beruf war ich einst ein Seemann, ehe ich in die Sklaverei fiel, und ich bin überall gewesen, von meinem heimatlichen Sind in Indien bis zu den fernsten Gestaden des...«
»Gesü Marä Isepo«, erklärte mein Onkel Mafio bewundernd. »Was die Flinkheit betrifft, so steht die Zunge dieses Mannes der seines Mittelbeins in nichts nach.«
Wie gebannt standen wir einfach da und ließen Nasenloch weiterplappern. »Ich würde ja immer noch reisen, wäre ich zu meinem Unglück nicht den Sklavenjägern in die Hände gefallen. Ich hatte mich gerade mit einem weiblichen shaqäl gepaart, als die Sklavenfänger angriffen, und Ihr Herren wißt ja wohl, wie fest die mihrab einer Hündin den liebenden zab umklammert und ihn nicht so ohne weiteres freiläßt. Da mir nun die shaqal-Hündin vorn herunterbaumelte, hin und her geworfen wurde und quiekte, konnte ich nicht besonders schnell laufen. Infolgedessen fingen sie mich, meine Laufbahn als Seemann nahm ein Ende und meine Laufbahn als Sklave begann. Allerdings muß ich in aller Bescheidenheit sagen, daß ich bald zu einem unvergleichlichen Sklaven wurde. Ihr werdet bemerkt haben, daß ich jetzt auf sabir gesprochen habe, der Handelssprache des Westens -doch jetzt horcht auf, geneigte Herren, denn ich bin auch des Farsi mächtig, der Handelssprache des Ostens. Des weiteren spreche ich geläufig mein heimatliches Sindi, außerdem Pashtun, Hindi und Panjabi. Mein Arabisch ist annehmbar, ich kann mich in einer ganzen Reihe von Türk-Dialekten verständigen und...«
»Hältst du eigentlich nie in irgendeiner von ihnen den Mund?«
fragte mein Vater. Ohne weiter darauf einzugehen, fuhr
Nasenloch fort: »Auch besitze ich etliche andere Eigenschaften
und Gaben, von denen ich bis jetzt noch nichts erwähnt habe.
Ich kann, wie Ihr bemerkt haben werdet, gut mit Pferden
umgehen. Mit Pferden zusammen bin ich aufgewachsen und...«
»Gerade eben hast du behauptet, du wärest Seemann
gewesen«, bedeutete mein Onkel ihm.
»Das war aber erst, nachdem ich herangewachsen war, Herr.
Außerdem verstehe ich mich vorzüglich auf den Umgang mit
Kamelen. Ich kann das Horoskop stellen und es nicht nur auf
die arabische, sondern auch noch auf die persische und
indische Weise deuten. Ich habe Angebote der erlauchtesten
hammans abgelehnt, sich meiner Dienste als unübertrefflicher
Reiber zu versichern. Ich kann ergraute Barte mit hinna färben
und Runzeln durch Auftragen einer Quecksilbersalbe glätten.
Mit meinem einzelnen Nasenloch kann ich die Flöte lieblicher
blasen als manch ein Musikant mit dem Mund. Und diese
Körperöffnung überdies auch noch auf eine gewisse andere Art
und Weise nutzen...«
Wie aus einem Mund riefen mein Vater, mein Onkel und der
wazir.
»Dio me Varda!« und:
»Der Mann würde selbst eine Made anekeln!« und:
»Schafft ihn uns aus den Augen, Mirza Händler! Er stellt eine
Beschmutzung Baghdads dar. Bindet ihn hier irgendwo fest und
überlaßt ihn den Geiern!«
»Euch hören und gehorchen, sind eins, oh, wazir«, sagte der
Händler. »Aber vielleicht darf ich Euch zuvor noch andere Ware
zeigen?«
»Es ist spät«, sagt Jamshid, um nicht Häßlicheres über den
Sklavenhändler und seine Ware zu sagen. »Wir werden im
Palast zurückerwartet. Kommt, messieurs. Morgen ist auch
noch ein Tag.«
»Und dazu noch ein saubererer«, sagte der Händler und
funkelte den Sklaven rachsüchtig an. So verließen wir den Sklavenpferch und den bazär und suchten uns den Weg durch Gassen und Gärten. Wir hatten den Palast schon fast wieder erreicht, ehe es Onkel Mafio einfiel zu sagen: »Ist das Euch auch aufgefallen? Dieser abscheuliche Schurke Nasenloch hat es doch tatsächlich fertiggebracht, sich nicht TM entschuldigen!«
Und wieder ließen wir uns von unseren Dienern ankleiden und legten unsere besten Kleider an; wieder leisteten wir Shah Zaman bei seiner Abendmahlzeit Gesellschaft, die wieder etwas ganz besonders Köstliches war; und wieder erwarteten wir, den schweren Shiraz-Wein vorgesetzt zu bekommen. Ich erinnere mich noch, daß der letzte Gang aus sheriye bestand, einer Art Bandnudeln ähnlich unseren fetucine, nur daß die sheriye zusammen mit
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