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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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jagte ihn mit einer für einen Mann seines Alters erstaunlichen Geschwindigkeit hinunter. Er war lange genug im Gefängnis gewesen, so dass er sich jetzt darin auskannte, und so führte er mich diesen Gang entlang und jenen, bis wir am Ende eines langgestreckten Raums Licht erblickten. An der Ecke blieb er stehen, spähte um sie herum und winkte mir, ihm weiter zu folgen. Wir bogen in einen kürzeren Gang ein, in dem zwar zwei oder drei Wandlampen brannten, der aber sonst leer war.
    Mordecai kniete nieder, winkte mich heran, ihm zu helfen, und ich erkannte, dass ein großer Steinquader unten in der Mauer zwei eiserne Ringe zum Anfassen aufwies. Mordecai packte den einen, ich den anderen, und gemeinsam schoben wir die Steinplatte fort, die sich als dünner erwies als die anderen, die sie umgaben. Herrlich frische feuchte und nach Salz riechende Luft strömte durch die Öffnung herein. Ich richtete mich auf, um sie dankbar in die Lungen zu saugen, und gleich darauf wurde
    ich niedergeschlagen. Eine Wache war von irgendwoher
    herzugesprungen und schrie nach Hilfe.
    Einen Moment gab es ein womöglich noch heilloseres
     
    Durcheinander. Die Wache warf sich auf mich, und wir wälzten
    uns auf dem Steinboden, während Mordecai neben dem Loch
    kauerte und uns mit großen Augen zusah. Für einen Moment
    saß ich oben auf dem Wächter, setzte ihm mein gesamtes
    Körpergewicht auf die Brust und hielt ihm die Arme mit beiden
    Knien auf dem Boden. Ich legte ihm beide Hände über den laut
    auf und zu gehenden Mund, wandte mich nach Mordecai um
    und keuchte: »Ich kann ihn nicht... lange festhalten.«
     
    »Komm, Bursche«, sagte er. »Laß mich das machen.«
     
    »Nein. Einer kann entkommen. Geht Ihr'« Ich hörte irgendwo
    wieder Füßegetrappel. »Beeilt Euch!«
    Mordecai steckte die Füße durchs Loch, drehte sich dann noch
     
    einmal nach mir um und fragte: »Warum ich?«
    Während ich schlug und zupackte, stieß ich stoßweise noch ein
     
    paar letzte Worte aus: »Ihr habt mir -meine Wahl -Spinnen.
    Macht, dass Ihr rauskommt.«
    Mordecai bedachte mich mit einem erstaunt-fragenden Blick
     
    und sagte dann langsam: »Der Lohn für eine mitzva ist noch
    eine mitzva.« Mit diesen Worten glitt er durch die Öffnung und
    verschwand. Ich hörte Wasser aufspritzen, dann wurde ich
    überwältigt.
     
    Ich wurde von rohen Händen durch die Gänge gestoßen und
    buchstäblich in eine neue Zelle geworfen. Ich meine eine
    andere uralte Zelle, versteht sich -allerdings eine andere.
    Diese enthielt nur eine Pritsche, die Tür wies kein Loch auf, und
    es fand sich nicht einmal so etwas wie ein Kerzenstummel
    darin, sie zu erhellen. Dort saß ich mit schmerzenden
    Gliedmaßen in der Dunkelheit und überdachte meine neue
    Lage. Durch den Fluchtversuch hatte ich alle Hoffnung verwirkt,
    jemals meine Unschuld beweisen zu können. Durch die
    mißlungene Flucht hatte ich meinen Feuertod beschworen. Nur
    für eines konnte ich dankbar sein: dafür, jetzt eine Zelle ganz
     
    für mich allein zu haben. Damit hatte ich auch keinen
    Zellengenossen, der hätte sehen können, wie ich weinte. Da die Wächter mich hinterher absichtlich beim Austeilen der abscheulichen Kerkergrütze übergingen und Dunkel und Eintönigkeit durch nichts unterbrochen wurden, weiß ich nicht, wie lange ich allein in der Zelle saß, ehe ein Besucher zu mir gelassen wurde. Bei diesem handelte es sich wieder um den Bruder der Gerechtigkeit.
    Ich sagte: »Ich nehme an, meinem Onkel wurde die
    Besuchserlaubnis entzogen.« »Und ich zweifle, dass er willens wäre zu kommen«, sagte Fra Ugo. »Er soll mörderisch geflucht haben, als er sah, dass der Neffe, den er da aus dem Wasser auffischte, sich als ältlicher Jude entpuppte.«
    »Und da ich Eures Rechtsbeistands nun auch nicht mehr bedarf«, sagte ich resigniert, »darf ich annehmen, dass Ihr jetzt nur kommt, um den Gefangenen zu trösten.«
    »Zumindest bringe ich Nachrichten, die Euch trösten könnten.
    Denn heute morgen hat der Rat einen neuen Dogen gewählt.« »Ah, ja. Sie hatten die Wahl ja vertagt, bis sie den Mörder des Dogen Zeno hätten. Und jetzt haben sie mich. Warum, meint Ihr, sollte mich das trösten?«
    »Vielleicht habt Ihr vergessen, dass Euer Vater und Onkel selbst Ratsmitglieder sind. Und seit ihrer wunderbaren Wiederkehr nach so langer Abwesenheit sind sie höchst beliebt im Kreis der Kaufleute. Infolgedessen konnten sie bei der Wahl merklich Einfluß auf sämtliche wahlberechtigten Kaufherren

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