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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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nach Acre und
     
    Alexandria. Gute Reise!«
    Der Schiffssteuermann zeigte mir, wie er durch ein sinnreiches
    Zusammenwirken verschiedener Taue die beiden gewaltigen
    Steuerruder bewegte, die in Hecknähe achteraus ins Wasser
    hinuntergingen. »Bei schwerem Wetter jedoch«, erklärte er mir,
    »braucht jedes Ruder einen eigenen Steuermann, und diese
    beiden müssen ein meisterliches Geschick aufbringen, um die
    Ruder zwar unabhängig voneinander, jedoch stets in
    vollkommenem Gleichklang zu bedienen, wie der Kapitän es
    verlangt.« Der Trommelschläger des Schiffes ließ mich mit
    seinen Schlegeln üben, wenn keiner der Riemen bemannt war,
    doch das waren sie nur selten. Die etesia wehte mit einer so
    gleichbleibenden Beständigkeit, daß man nur selten darauf
    angewiesen war, das Schiff mit Hilfe der Ruder Fahrt machen
    zu lassen. Länger rudern mußten die Ruderer daher auf dieser
    Fahrt nur, als es darum ging, uns aus dem Malamoco-Becken
    aufs freie Meer hinaus und in den Hafen von Acre
    hineinzubringen. Dann jedoch nahmen sie alle ihren Platz ein »in der zenzile-Art, wie es heißt«, erklärte der Trommler: das
    heißt, zu dritt auf jeder der zwanzig Bänke auf beiden Seiten
    des Fahrzeugs.
     
    Jeder Ruderer bewegte einen Riemen, der eigenständig auf den Auslegern des Schiffes auflag, so daß die kürzesten Riemen nahe der Bordwand gerudert wurden, die längsten gleichsam außenbords und die mittleren dazwischen. Auch saßen die Männer nicht, wie etwa die Ruderer im buzino d'oro des Dogen. Sie standen vielmehr; ein jeder hatte den linken Fuß auf die vor ihm stehende Bank gesetzt und stieß dergestalt sein Ruder vorwärts. Dann wichen sie zurück auf die Bänke, führten auf diese Weise ihre machtvollen Ruderschläge aus und trieben das Schiff gleichsam mit einer Fülle rasch aufeinanderfolgender Sprünge voran. Das ganze richtete sich nach den Trommelschlägen, wie sie vom Trommler angegeben wurden: zunächst langsam, dann jedoch, in dem Maße, wie das Schiff Fahrt aufnahm, immer schneller, wobei die beiden Schlegel verschiedene Töne von sich gaben, so daß die Ruderer auf der einen Seite wußten, wann sie sich kräftiger in den Riemen legen mußten als die anderen.
    Rudern freilich ließ man mich nie; denn diese Aufgabe erfordert so viel Können, daß Lehrlinge auf Modellen von Galeeren auf dem Lande üben müssen. Da das Wort galeotto in Venedig so oft im Sinne von Häftling gebraucht wird, war ich immer davon ausgegangen, daß Galeeren, Galeassen und Galeoten von festgenommenen und zum Galeerendienst verurteilten Verbrechern gerudert würden. Der Trommler jedoch machte mich darauf aufmerksam, daß Frachtschiffe durch ihre Geschwindigkeit miteinander wetteifern, und was das betrifft, könne man sich kaum auf widerwillige Zwangsarbeiter verlassen. »Aus diesem Grunde heuert die Handelsflotte nur erfahrene Berufsruderer an«, sagte er. »Und Kriegsschiffe werden von Bürgern gerudert, die diese Art von Dienst dem mit der Waffe in der Hand vorziehen.«
    Der Schiffskoch erzählte mir, Brot backe er nicht. »Mehl bewahre ich in meiner Kombüse nicht auf«, sagte er. »Feingemahlenes Mehl läßt sich auf See nicht vor Verunreinigung bewahren. Entweder breiten Rüsselkäfer sich darin aus, oder es wird naß. Das ist ja gerade der Grund, warum die alten Römer darauf verfielen, das zu bereiten, was wir heute Teigwaren nennen, die ja praktisch unverwüstlich sind. Es heißt sogar, ein römischer Schiffskoch habe volente o nolente dieses Nährmittel erfunden, als sein Mehlvorrat von einer mutwilligen Welle überflutet wurde. Er knetete den Teig, um das Mehl zu retten, rollte ihn dünn aus und schnitt ihn in Streifen, damit er rascher trocknete. Von jener Anfangszeit an leiten sich sämtliche Formen und Größen von vermicelli und maccherom ab. Für uns Schiffsköche war das ein wahres Gottesgeschenk -und für die Küchenmeister an Land nicht minder.«
    Der Schiffskapitän zeigte mir, daß die Nadel seiner bussola unverwandt zum Polarstern wies, selbst dann, wenn dieser Stern gar nicht zu sehen ist. Damals fing man gerade erst an, diese bussola für genauso etwas Unverzichtbares zu halten wie die Christophorusmedaille des Schiffes; für mich jedoch war das Instrument etwas durchaus Neues. Desgleichen das Periplus, das der Kapitän mir ebenfalls zeigte, ein Stapel Karten, auf denen von der Levante bis zu den Säulen des Herkules sämtliche Küstenlinien des gesamten Mittelländischen Meeres sowie angrenzender Meere

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