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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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gelang, jemand aufzutreiben, der mir diese Samen hätte verschaffen können. Gramo de mi, eine Gelegenheit, die mir entgangen ist.«
    Gelinde erstaunt sagte ich: »Da bist du mitten in einem Krieg gewesen, und das einzige, was dich interessiert hat, waren Mohnsamen?«
    »Ach, Krieg ist eine furchtbare Sache. Er unterbricht den
     
    Handel.«
    »Aber Vater, habt Ihr darin denn keine Gelegenheit erblickt, ein
    Abenteuer zu erleben?«
     
    »Was hast du nur dauernd mit deinen Abenteuern?« erklärte
    mein Vater streng. »Abenteuer sind nichts weiter als
    Belästigungen und Unbequemlichkeiten, die man in der
    Sicherheit der Erinnerung heraufbeschwört. Glaub mir, ein
    erfahrener Reisender macht Pläne und trifft Vorkehrungen,
    eben keine Abenteuer zu erleben. Am erfolgreichsten ist immer
    noch die Reise, die ohne jede Aufregung verläuft.«
     
    »Ach«, sagte ich, »und ich habe mich gefreut darauf -nun ja,
    Gefahren zu bestehen... Verborgenes zu entdecken... Feinden
    ein Schnippchen zu schlagen... Jungfrauen aus der Gefahr zu
    erretten...« -»Da spricht der bravo aus dir«, erklärte mit
    dröhnender Stimme mein Onkel Mafio, der sich just in diesem
    Augenblick zu uns gesellte. »Ich hoffe, du treibst ihm derlei
    Flausen aus, Nico.«
     
    »Das versuche ich ja«, sagte mein Vater. »Durch Abenteuer,
    Marco, hat noch nie jemand auch nur einen einzigen bagatin
    verdient.«
     
    »Aber ist denn die Börse das einzige, was es zu füllen gilt!« rief
    ich. »Sollte der Mensch nicht noch anderes im Leben suchen?
    Was ist denn mit seinem Appetit auf Herrlichkeiten und
    Wunder?«
     
    »Dadurch, daß er sie gesucht hat, ist noch kein Mensch auf
    Herrlichkeiten gestoßen«, ließ mein Onkel sich grunzend
    vernehmen. »Mit denen ist es wie mit der wahren Liebe -oder
    dem Glück -, die ja, recht besehen, selber wunderbare
    Herrlichkeiten sind. Man kann einfach nicht sagen: Jetzt ziehe
    ich aus, um ein Abenteuer zu suchen. Das beste, was man tun
    kann, ist, sich an einen Ort zu begeben, wo sie einem
    widerfahren können.«
     
    »Nun denn«, sagte ich. »Wir segeln nach Acre, der Stadt der
    Kreuzritter, berühmt wegen kühner Heldentaten und dunkler
    Geheimnisse, seiner Jungfrauen mit der seidigen Haut und
     
    seines schwelgerischen Lebens. Welcher Ort wäre besser
    geeignet'« »Die Kreuzritter!« schnaubte Onkel Mafio verächtlich. »Und hochgemute Heldentaten! Die Kreuzritter, die mit dem Leben davongekommen sind und deshalb nach Hause zurückkehren können, machen sich doch nur selbst vor, ihr vergebliches Unternehmen hätte sich gelohnt! Deshalb sprechen sie prahlerisch von den Wundern, die sie erblickt, von den Herrlichkeiten ferner Länder. Dabei war das einzige, was sie je zurückgebracht haben, ein Fall von so schmerzhaftem scolamento, daß sie sich kaum noch im Sattel halten konnten.«
    Sehnsuchtsvoll sagte ich: »Dann ist Acre gar keine Stadt der Schönheit und der Versuchung, der Geheimnisse und des Luxus und...?«
    Mein Vater sagte: »Kreuzritter und Sarazenen haben über anderthalb hundert Jahre um San Zuäne de Acre gekämpft. Überleg doch einmal selbst, wie es da aussehen muß. Aber nein, das brauchst du ja gar nicht. Du wirst es ja bald selbst sehen.«
    Ich ließ sie stehen und kam mir in meinen Erwartungen zwar gedämpft, nicht aber völlig am Boden zerstört vor. Für meine eigene Person zog ich aus diesem Gespräch den Schluß, daß mein Vater die Seele eines liniierten Hauptbuches besitze und mein Onkel viel zu eckig und grob sei, um irgendwelcher edleren Regungen fähig zu sein. Sie würden ein Abenteuer nicht als solches erkennen, und wenn sie mit der Nase draufgestoßen wurden. Mir würde das anders ergehen. Ich trat aufs Vorschiff hinaus, damit mir ja nicht der Anblick von irgendwelchen Meerjungfrauen oder Meeresungeheuern entging, falls welche vorüberschwammen.
    Ist die erste Aufregung erst mal vorbei, wird so eine Seereise nach ein paar Tagen ziemlich eintönig -es sei denn, ein Sturm erfüllt sie mit lebenden Schrecken; doch stürmisch ist das Mittelmeer nur im Winter - und so vertrieb ich mir die Zeit damit, genau kennenzulernen, wie so ein Schiff funktionierte, und trachtete danach, alles darüber in Erfahrung zu bringen. Da gutes Wetter herrschte, war die Mannschaft lediglich mit den üblichen Verrichtungen beschäftigt; infolgedessen war vom Kapitän bis zum Koch jeder bereit, meine Fragen zu beantworten und mich gelegentlich auch helfen zu lassen. Die Matrosen gehörten allen möglichen

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