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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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solcher Nächte erlebt - anfängt zu lachen.«
    »Sie kann gar nicht lachen«, erklärte Cheren, das nächste der Mongolenmädchen, das mich besuchte. »Genausowenig wie sie sprechen oder hören kann. Die Sklavin ist lon-gay. Ihr kennt das Wort nicht? Es bedeutet ›taubstumm‹.«
    »Wirklich?« murmelte ich und betrachtete die Sklavin mit mehr Verständnis, als ich bisher für sie aufgebracht hatte. »Kein Wunder, daß sie nie geantwortet hat, wenn ich sie beschimpft habe. Ich habe die ganze Zeit über gedacht, lon-gya wäre ihr Name.«
    »Falls sie je einen Namen gehabt hat, sie könnte ihn uns nicht nennen«, sagte Toghon, die nächste meiner jungen mongolischen Besucherinnen. »In den Wohnungen der Konkubinen rufen wir sie Hui-sheng, aber das nur aus weiblicher Bosheit, wenn wir sie aufziehen.«
    »Hui-sheng«, wiederholte ich. »Was soll daran boshaft sein? Ich finde, es ist ein besonders wohlklingender Name.«
    »Wohlklingend vielleicht, aber höchst unpassend, denn es bedeutet ›Echo‹«, sagte Devlet, die nächste in der Reihe der Mongolinnen. »Aber gleichviel. Schließlich hört sie nicht und hört entsprechend auch nicht darauf.«
    »Ein lautloses Echo«, sagte ich lächelnd. »Ein unpassender Name, vielleicht, aber ein reizvoller Widerspruch. Hui-sheng. Hui-sheng…«
    Zu Ayuka, der siebten oder achten von den Mongolen-Jungfraue n, sagte ich: »Sagt an, sucht Eure Dame Oberaufseherin absichtlich taubstumme Sklavinnen aus, damit sie in Hochzeitsnächten die Aufpasserin spielt?«
    »Sie sucht sie nicht aus, sondern macht sie in der Kindheit dazu. Damit sie weder lauschen noch klatschen. Sie können auch nicht überrascht oder mißfällig laut Atem holen, wenn sie in der Schlafkammer Merkwürdiges erleben, noch sich hinterher über Abartiges den Mund zerreißen, dessen sie Zeuge geworden sind. Und wenn sie sich jemals schlecht benehmen oder geschlagen werden müssen, können sie nicht schreren.«
    »Bruto barabào! Macht sie dazu? Wie denn?«
    »Nun, den Eingriff, der sie für immer verstummen macht, läßt die Dame Oberaufseherin von einem shamàn-Arzt ausführen«, sagte Merghus, die achte oder neunte von den Mongolinnen. »Er führt eine rotglühende Nadel in den Gehörgang und durch den Hals in die Kehle ein. Ich kann Euch nicht genau sagen, was gemacht wird, aber schaut Euch Hui-sheng nur an -Ihr werdet dann die winzige Narbe an ihrer Kehle erkennen.«
    Ich sah hin, und es stimmte. Aber ich sah mehr denn nur das, als ich Hui-sheng betrachtete, denn Kubilai hatte die Wahrheit gesprochen, als er sagte, die Mädchen der Min wären unübertrefflich schön. Zumindest dieses war es. Als Sklavin trug sie nicht das weißgepuderte Gesicht der anderen Frauen in diesem Lande und auch nicht die steifen Frisurungetüme ihrer mongolischen Herrinnen. Diese helle Pfirsichhaut war ihre eigene, und ihr Haar schmiegte sich schlicht und leicht gewellt an ihren Kopf. Bis auf die kleine halbmondförmige Narbe auf ihrer Kehle war sie makellos, was man von den edlen Mädchen, denen sie aufwartete, nicht behaupten konnte. Da diese vornehmlich draußen in der frischen Luft unter harten Lebensbedingungen unter Pferden und dergleichen aufgewachsen waren, wiesen sie viele Schnitte, Pocken und andere Narben auf, die selbst ihre intimeren Bereiche verunstalteten.
    Hui-shen saß in diesem Augenblick in der anmutigsten und liebreizendsten Haltung da, die eine Frau unbewußt überhaupt einnehmen kann. Ohne zu merken, daß jemand ihr dabei zusah, war sie damit beschäftigt, sich eine Blüte in das weich fallende schwarze Haar zu stecken. Ihre Linke hielt die rosa Blüte über ihr linkes Ohr, und mit der Rechten griff sie im Bogen über den Kopf, um beim Feststecken behilflich zu sein. Die Kopfhaltung, sowie die Stellung von Händen, Armen und Oberkörper, die solches Tun zur Folge hat, macht jede Frau, ob bekleidet oder nackt, zu einem Gedicht aus schönen Rundungen und sanften Winkeln -das Gesicht ein wenig zur Seite und nach unten gebeugt, rahmen die Arme es harmonisch ein, ihre Halslinie verläuft glatt bis zum Busen, und ihre Brüste werden durch die gereckten Arme leicht in die Höhe gehoben. In dieser Haltung sieht selbst eine alte Frau noch jung aus, eine dicke schlank und schmiegsam, eine hagere von ausgefüllter Wohlgestalt und eine schöne Frau noch schöner.
    Ich weiß auch noch, wie mir auffiel, daß sich Hui-sheng vor jedem Ohr ein Bausch überaus feiner Haare bis zur Kinnpartie herunterringelte und ein weiteres

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