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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Bezeichnung ungerechtfertigterweise in einen Topf mit anderen geworfen, die ganz anders waren als ich. Ich war mir bewußt, daß wir Venezianer anders waren als etwa Slawen oder Sizilianer und andere Angehörige der Völker des Abendlands. Zwar vermochte ich nicht eine gleiche Vielfalt unter den zahlreichen Mongolenstämmen zu entdecken, wußte jedoch, daß jeder Mensch stolz auf den seinen war und ihn als die Blüte der Mongolen betrachtete, gleichwohl jedoch selbstredend davon ausging, daß die Mongolen die Blüte der Menschheit darstellten.
    Nicht jedes Volk, das ich auf meinen Reisen kennenlernte, ist mir gleich lieb gewesen, doch interessant habe ich sie alle gefunden - interessant wurden sie ja gerade durch das, wodurch sie sich voneinander unterschieden. Da waren die verschiedenen Hautfarben, verschiedenen Sitten und Gebräuche, unterschiedliches Essen, unterschiedliche Redeweisen, Aberglauben, Unterschiede in der Art, sich zu unterhalten, ja, es gab sogar Mängel und Unkenntnis und Torheiten, die sie interessant machten. Einige Zeit nach diesem Aufenthalt in Xan-du sollte ich die Stadt Hang-zho besuchen und feststellen, daß es sich wie Venedig -um eine Stadt der Kanäle handelte. Doch bis auf diese Besonderheit glich Hang-zho Venedig überhaupt nicht; aber gerade die Unterschiede und nicht so sehr die Ähnlichkeiten waren es, die diese Stadt in meinen Augen auszeichnete. Genauso ist Venedig mir auch heute noch lieb und teuer und bezaubernd, würde jedoch aufhören, das zu sein, wäre es nicht einzigartig. Meiner Meinung nach wäre eine Welt voller Städte und Orte und Ansichten, die einander alle gleichen, die langweiligste der Welt, die man sich vorstellen kann. Genauso ergeht es mir mit den Völkern und den Menschen auf dieser Welt. Wenn sie alle - die weißen und pfirsichfarbenen, die braunen und schwarzen und von welcher Hautfarbe auch immer zu einer nichtssagenden Allerweltsfarbe vermengt würden, würde jeder andere ihrer eckigen und kantigen Unterschiede zu wahrer Gesichtslosigkeit verflachen. Man kann zuversichtlich eine gelblichbraune Sandwüste durchqueren, weil keinerlei Abgründe sie aufreißen; aber genausowenig besitzt sie irgendwelche hochragenden Gipfel, die es wert wären, genau betrachtet zu werden. Mir ging auf, daß mein Beitrag zur Vermischung von Ferenghi-und Mongolenblut völlig bedeutungslos war. Gleichwohl widerstrebte mir der Gedanke, daß so verschiedene Völker miteinander vermischt -und zwar kraft Befehl, mit voller Absicht, nicht einmal durch zufällige Begegnungen -und dadurch aneinander angeglichen und folglich weniger interessant gemacht werden sollten.
    Was mich zumindest teilweise als erstes zu Hui-sheng hinzog, war, daß sie sich von allen anderen Frauen unterschied, die ich bis dato kennengelernt hatte. Diese junge Min-Sklavin unter ihren mongolischen Herrinnen zu erleben, war, als erblickte man einen einzelnen Zweig rosig angehauchter, elfenbeinfarbener Pfirsichblüten in einer Vase zusammen mit fettblätterigen, messing-, bronze-und kupferfarbenen Chrysanthemen. Gleichwohl war sie nicht nur schön, weil sie von weniger Schönen abstach. Wie die Pfirsichblüte war sie ganz aus eigenem von reizvoller Anmut und wäre auch unter einem ganzen, in voller Blüte stehenden Pfirsichgarten ihrer zierlichen Min-Schwestern aufgefallen. Dafür gab es gute Gründe. Huisheng lebte in einer Welt der ewigen Lautlosigkeit, weshalb ihre Augen etwas Verträumtes hatten, selbst wenn sie hellwach war. Dabei war die Tatsache, daß sie der Fähigkeit zu sprechen und zu hören beraubt worden war, nicht nur ein Nachteil oder auch nur etwas, das anderen sehr auffiel -mir selbst war es erst aufgefallen, als man mir sagte, sie sei taubstumm -, denn sie besaß eine Lebendigkeit des Gesichtsausdrucks und eine Beredtheit an kleinen Gesten, mit denen sie Gedanken und Gefühl laut-und wortlos und doch unmißverständlich übermittelte. Mit der Zeit lernte ich mit einem Blick jede unendlich winzige Bewegung ihrer qahwah-farbenen Augen, ihrer rosé-weinfarbenen Lippen, flaumig behaarten Brauen, zwinkernden Grübchen, gertenschlanken Hände und farnwedelfeinen Finger ergründen.
    Da Hui-sheng es mir unter den schlimmstmöglichen Umständen angetan hatte -während sie Zeugin war, wie ich mich mit einem runden Dutzend mongolischer Geliebten schamlos vergnügte -, konnte ich ihr kaum den Hof machen, ohne Gefahr zu laufen, höhnisch zurückgewiesen zu werden, ehe nicht etwas Zeit vergangen und, wie ich hoffte,

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