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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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lauernde, schleichende Flüsterer -diese Frau, an der kein Fehl war, nur deshalb entführt, um mich zu treffen? Wenn das stimmte, war dieser Feind von einer unsäglichen Schändlichkeit, aber klug in der Wahl eines Ersatzopfers. Ich hatte geholfen, die Prinzession Mar-Janah aus einem Leben der Schande und der Erniedrigung herauszuholen, und hatte ihr zumindest zu einem sichereren und glücklichen Hafen verholfen. Ich erinnerte mich, wie sie gesagt hatte: »Als ob die zwanzig Jahre dazwischen nie gewesen wären…« Und jetzt sollte ich der Grund dafür sein, wieder etwas Furchtbares zu durchleiden? Das würde mich in der Tat an empfindlicher Stelle treffen.
    Nun, wir würden es erfahren, wenn wir nach Khanbalik zurückkamen. Und ich hegte einen starken Verdacht: Sollten wir die verschwundene Mar-Janah je wiederfinden, müßten wir zuerst jene verschleierte Frau wiederfinden, die Ali das Schreiben für mich übergeben hatte. Vorläufig sagte ich davon jedoch nichts zu ihm; er hatte Kummer genug. Auch hörte ich aus Hochachtung vor der Sorge um seine Geliebte, die er solange verloren hatte und die ihm jetzt wieder entrissen worden war, auf, über die neugefundene Hui-sheng zu frohlocken.
    »Marco, könnten wir nicht einfach vorausreiten? Der Hofstaat kommt so langsam voran!« Das fragte er mich eindringlich, nachdem wir und das gesamte Gefolge des Khakhan Xan-du schon zwei oder drei Tage hinter uns gelassen hatten. »Du und ich, wir könnten viel schneller in Khanbalik sein, wenn wir unseren Pferden die Sporen gäben.«
    Er hatte selbstverständlich recht. Der Khakhan reiste unter viel Pomp und in größter Gemächlichkeit; die gesamte karwan bewegte sich in einem gemessenen, würdevollen Tempo. Bei ihm hätte es einen unziemlichen Eindruck gemacht, wäre er anders gereist, zumal es sich in diesem Falle fast um so etwas wie um einen Triumphzug handelte. Alle seine Untertanen in den Städten und Dörfern, durch die wir hindurchkamen, drängten sich, nachdem sie von der glücklichen Beendigung des Sung-Krieges gehört hatten, sich an der Straße aufzustellen, ihm zuzujubeln, zu winken und ihm Blumen zuzuwerfen, wenn er vorüberfuhr.
    Kubilai fuhr in einem majestätischen, thronähnlichen, mit Baldachin versehenem, juwelenbesetzten und vergoldeten Prunkwagen, der von vier gewaltigen, gleichermaßen herausgeputzten Elefanten gezogen wurde. Seinem Wagen folgten andere, manche mit seinen Ehefrauen, andere mit seinen Konkubinen, darunter auch die Mädchen, die er an mich ausgeliehen hatte, dann die Dienerinnen und Sklavinnen und so fort. Unterschiedlich vor und hinter oder neben den Wagen ritten Prinz Chingkim und die anderen Höflinge auf prächtig aufgezäumten Pferden. Den Wagen mit den Menschen folgten solche mit dem Gepäck, dem Jagdgerät, den Trophäen sowie dem Reisevorrat an Weinen, kumis und sonstigem Proviant; einen Wagen beanspruchte eine Kapelle mit Spielleuten und Instrumenten, uns abends, wenn wir haltmachten, aufzuspielen. Eine Truppe mongolischer Krieger ritt eine Tagereise voraus, um in jeder Gemeinde unter Trompetenstößen unser Nahen zu verkünden, damit die Bewohner vorbereitet waren, ihre Weihrauchfeuer zu entzünden und -sofern wir in der Dämmerung eintrafen -Feuerbäume und Glitzerblumen abzubrennen (die Feuerwerksmeister Shi beim Herritt hier deponiert hatte). Ein anderer Reitertrupp folgte uns, um Wagen mit gebrochenen Achsen, lahmende Pferde und dergleichen einzusammeln. Wie gewöhnlich in dieser Jahreszeit, hatte der Khakhan am Rand seines Wagens zwei oder drei Paar Gerfalken sitzen, und der gesamte Zug mußte halten, wenn wir irgendwelches Wild aufscheuchten, auf das er die Falken anwerfen wollte.
    »Ja, Ali, allein kommen wir schneller voran«, gab ich ihm zur Antwort. »Aber ich meine, wir sollten es doch nicht tun. Erstens könnte man es als Mangel an Respekt vor dem Khakhan auslegen, und wir sind vielleicht weiterhin auf seine herzliche Freundschaft angewiesen. Und zweitens -wenn wir weiter beim Gefolge bleiben, hat jeder, der uns Nachrichten über Mar-Janah zukommen lassen will, keine Schwierigkeiten, uns zu finden.«
    Das entsprach durchaus der Wahrheit -trotzdem hatte ich Ali nicht alle Gründe eröffnet, die mich veranlaßten, in dieser Hinsicht Zurückhaltung zu üben. Ich hatte mich mittlerweile zuder Überzeugung durchgerungen, daß Mar-Janah von meinem Flüstererfeind entführt worden war. Da ich nicht wußte, um wen es sich dabei handelte, sah ich keinen Sinn darin, in gestrecktem

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