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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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mutmaßlichen Verfolger Gelegenheit zu geben, unbeobachtet hineinzuschlüpfen. Schließlich schlenderte ich so, als achtete ich nicht im geringsten darauf, wo ich war oder was ich tat, durch das Mondtor in der Außenmauer und erging mich auf der Innenterrasse. Als ich am weitesten vom Mondtor entfernt war und der Pavillon fest und unverrückbar zwischen uns stand, lehnte ich mich an die reichverzierte Mauer und sah zu, wie ein Stern nach dem anderen über dem Drachenfirst am pflaumenfarbenen Himmel herauskam. Ich hatte den ganzen Weg vom Palasthof mit den Stallungen bis hier herauf in äußerster Gemächlichkeit zurückgelegt, und doch klopfte mir das Herz bis zum Hals herauf, und ich hatte Angst, dies Pochen müsse überall im Bereich des Pavillons zu hören sein. Doch brauchte ich mir darüber nicht lange Sorgen zu machen. Die Stimme ließ sich genauso wie das letztemal vernehmen: flüsternd und auf mongolisch, tief und voller Zischlaute und durch nichts zu identifizieren - nicht einmal, ob es sich um eine Männer-oder eine Frauenstimme handelte, war zu erkennen -, gleichwohl jedoch so klar ausgesprochen, als ob der Flüsterer direkt neben mir stünde und mir die erwarteten Worte ins Ohr wisperte:
    »Erwartet mich, wenn Ihr mich am wenigsten erwartet.«
    Sofort rief ich so laut ich konnte: »Jetzt, Nasenloch!« und vergaß in der Aufregung seinen neuen Namen und seinen neuen Stand.
    Ihm erging es wohl genauso, denn er brüllte zurück: »Ich hab' ihn, Mirza Marco!«
    Dann vernahm ich Ächzen und Gestöhn eines Ringkampfes so klar und deutlich, als spielte dieser sich unmittelbar zu meinen Füßen ab; dabei mußte ich erst rund um den Pavillon laufen, ehe ich die beiden unmittelbar am Mondtor sich auf dem Boden wälzenden und miteinander ringenden Gestalten sah. Eine von ihnen war Ali Babar. Die andere konnte ich nicht erkennen; sie schien nur ein formloser Haufen Gewänder und Schals zu sein. Sie jedoch packte ich und riß sie von Ali fort und hielt sie eine Weile fest, bis Ali wieder auf die Füße kam. Keuchend zeigte er auf die vermummte Gestalt und sagte: »Herr - das ist kein Mann -, es ist die verschleierte Frau.«
    Da ging mir auf, daß ich keinen kraftvollen, muskulösen Körper gepackt hielt, ließ aber dennoch nicht locker. Die Festgehaltene wand sich und wehrte sich heftig, während Ali hingriff und ihr die Schleier herunterriß.
    »Nun?« fauchte ich. »Wer ist die Hexe?« Ich sah ja nur ihr schwarzes Haar und, dahinter Alis Gesicht, dessen Augen und Nasenloch größer und immer größer wurden und seine ganze Fassungslosigkeit, ja, so etwas wie einen komischen Schrecken erkennen ließen.
    »Mashallah!« rief er. »Mirza Marco -die Toten sind lebendig geworden. Es ist Eure ehemalige Dienerin - Buyantu!«
    Als sie ihren Namen ausgesprochen hörte, hörte sie auf, sich zu wehren und sackte schicksalsergeben in sich zusammen. Infolgedessen lockerte ich meinen Griff und drehte sie herum, um sie mir anzusehen, so gut das in dem bißchen Helligkeit noch ging. Sie sah keineswegs so aus, als wäre sie jemals tot gewesen. Nur ihr Gesicht hatte härtere Züge, die Gesichtshaut saß straffer über den Knochen, und ihre Augen blickten kälter, als ich sie in der Erinnerung hatte. Auch wies ihr dunkles Haar viele Silberfäden auf, und ihre Augen waren trotzig zu Schlitzen zusammengekniffen. Ali betrachtete sie immer noch fassungslos und doch auf der Hut, und meine Stimme war nicht ganz fest, als ich sagte:
    »Sag uns alles, Buyantu. Ich freue mich, dich unter den Lebenden zu sehen, aber durch welches Wunder hast du überlebt? Sollte es möglich sein, daß Biliktu auch noch am Leben ist? Irgendwer muß beim Brand meiner Wohnung umgekommen sein. Und was hast du hier im Echopavillon verloren, und wieso spielst du die Flüsterin?«
    »Bitte, Marco«, sagte Ali mit womöglich noch zitternderer Stimme. »Das Wichtigste zuerst. Wo ist Mar-Janah?«
    »Mit einem niedrigen Sklaven rede ich nicht!« versetzte Buyantu bissig.
    »Er ist kein Sklave mehr«, sagte ich. »Er ist ein freier Mann, dem man die Gattin genommen hat. Auch sie ist eine Freie; folglich droht ihrem Entführer ein furchtbarer Tod.«
    »Ich habe nicht die Absicht, Euch auch nur ein Wort zu glauben. Und mit einem Sklaven rede ich nicht.«
    »Dann antworte mir. Am besten redest du dir alles von der Seele, Buyantu. Ich kann dir zwar keine Straffreiheit für ein Schwerverbrechen versprechen, doch wenn du uns alles sagst und wenn Mar-Janah kein Haar gekrümmt ist

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