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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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erforderten vom Zuschauer nur etwas Aufmerksamkeit und eine gewisse Zuneigung, dann begriff man schon, was sie sagen wollten. Was eine Frau im Westen sagen will, sagt sie für gewöhnlich jedermann, der sich die Mühe macht hinzusehen. Was in Hui-shengs Augen vorging, erkannte eigentlich immer nur einer, der -wie ich -es wirklich wissen wollte und sich die Mühe machte, ganz tief in sie hineinzuschauen.
    Als sie ganz erwachte, war der Vormittag taghell, und an meiner Außentür wurde gekratzt. Hui-sheng hörte das selbstverständlich nicht, und so ging ich hin, um aufzumachen und zwar mit einer gewissen Vorsicht, denn ich war immer noch auf der Hut davor, wer mir wohl einen Besuch abstatten könnte. Es handelte sich jedoch nur um zwei mongolische Dienerinnen, die einander glichen wie ein Ei dem anderen. Sie machten kotou vor mir und erklärten, dem Palastverwalter sei erst verspätet aufgegangen, daß ich ja nun ohne Bedienung sei, deshalb seien sie gekommen, um sich zu erkundigen, was ich zum Frühstück wünschte. Ich sagte es ihnen und setzte ihnen auseinander, sie sollten genug für zwei bringen, was sie denn auch taten. Im Gegensatz zu meinen früheren Dienerinnen, den Zwillingen, schienen diese nichts dagegen zu haben, außer mir auch noch eine Sklavin zu bedienen. Vielleicht hielten sie Hui-sheng aber auch für eine Konkubine, welche die Nacht über zu mir gekommen sei und möglicherweise von Geblüt war; hübsch und von wahrhaft edlem Betragen war sie ja. Jedenfalls bedienten die beiden uns ohne jeden Groll und blieben beflissen in der Nähe, während wir uns sättigten.
    Als wir fertig waren, gab ich Hui-sheng Zeichen, wobei ich mich höchst ungeschickt anstellte und weit ausholende, völlig überflüssige Gesten vollführte. Später brachten wir es in der Zeichensprache zu so großer Vollendung und waren so wunderbar aufeinander abgestimmt, daß wir uns sogar über höchst verzwickte Sachverhalte verständigen konnten und dabei mit so unmerklich feinen Bewegungen arbeiteten, daß die uns umgebenden Menschen sie nur selten wahrnahmen und sich nicht genug darüber tun konnten, daß wir lautlos miteinander »redeten«. Jetzt aber ging es mir darum, ihr zu sagen, sie solle hingehen und all ihre Kleidung und persönliche Habe in meine Gemächer schaffen -selbstverständlich nur, wenn sie wolle. Ich ließ meine Hände unbeholfen über mein eigenes Gewand hinlaufen, zeigte dann auf sie und schließlich auf meine Truhen und Schränke und so fort. Ein weniger feinfühliger Mensch hätte meinen können, ich wiese sie an, daß sie sich kleiden solle wie ich in diesem Augenblick -nämlich in ein Männergewand in persischem Stil. Sie jedoch lächelte und nickte verständig, woraufhin ich die beiden Dienerinnen schickte, ihr zu helfen, ihre Sache herzubringen.
    Als ich allein war, holte ich das Papier heraus, das Hui-sheng mir gebracht hatte: den Besitztitel an ihr, den Kubilai an mich abgetreten hatte. Dies war das Geschenk, das ich ihr machen wollte - nämlich sich selbst. Ich wollte ihr das Papier übereignen und ihr damit den vollen Status einer freien Frau geben, die niemand gehörte und niemand verpflichtet war. Ich hatte mehrere Gründe, dies tun zu wollen, und zwar auf der Stelle. Zum einen würde ich, sofern der Araber mich der Höhle des Liebkosers oder dem Haus der Täuschung überantwortete, fliehen oder mich freikämpfen müssen, wobei ich möglicherweise den Tod fand -infolgedessen war mir daran gelegen zu gewährleisten, daß Hui-sheng mir in gar keiner Weise verbunden war. Sollte ich jedoch am Leben und frei bleiben und meinen Status als Höfling behalten, so hoffte ich, Hui-sheng bald auf eine andere Weise zu besitzen als ein Herr eine Sklavin. Sollte es dazu kommen, mußte es ganz allein von ihr ausgehen, und sich mir schenken konnte sie sich nur, wenn es ihr vollständig freistand, das zu tun.
    Ich holte daher aus meiner Schlafkammer jene Gepäckstücke, die ich in der letzten Zeit mit mir herumgeschleppt hatte, und verstreute den Inhalt auf dem Boden; dabei suchte ich nach dem kleinen Hühnerblutstein, meinem yin-Siegel, um meine Unterschrift unauslöschlich unter dieses Dokument zu setzen. Als ich es fand, fielen mir auch gleichzeitig das auf gelbem Papier geschriebene Ermächtigungsschreiben, sowie die große pai-tzu-Plakette, die Kubilai mir auf meine Mission nach Yunnan mitgegeben hatte, in die Hände. Vermutlich sollte ich ihm beides zurückgeben, dachte ich. Und das erinnerte mich an etwas

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